Das Gesetz der Vampire
stellte er fest, dass eine Ausbildung zum Wächter ähnlich umfangreich war wie die zum Polizisten und alles andere als einfach.
Er musste nicht nur die Gesetze auswendig lernen, von denen es noch erheblich mehr gab als diejenigen, die Gwynal und Sean ihm bereits erklärt hatten, wenn auch nicht annähernd so viele wie die der Menschen. Zur Ausbildung gehörte auch, dass er sich mit den sorgfältig dokumentierten Fällen des Vampirgerichts vertraut machte, das sich aus einem Teil des Rats der Wächter zusammensetzte. Er musste die mentalen Techniken erlernen, mit denen er seine Sinneswahrnehmungen verschärfen konnte und seine ohnehin schon guten Reflexe trainieren.
Dazu bezog Gwynal ihn in jede Situation mit ein, in der er selbst sein Amt als Wächter ausübte, wobei es sich in der Regel um Streitschlichtungen zwischen Vampiren der Baltimore-Kolonie handelte. Das einzige Gebiet, auf dem Gwynal ihm nicht mehr viel beizubringen brauchte, war der Nahkampf, den auch Vampirwächter zu trainieren hatten.
Damit Ashton nicht durch einen Broterwerb von seiner Ausbildung abgelenkt wurde, hatte Gwynal ihn kurzerhand als seinen Chauffeur engagiert, und Ashton kutschierte ihn für fünfhundert Dollar die Woche plus freier Kost und Logis wohin der wollte, meistens zum Aufnahmestudio und zu Proben im Sonar, in dem Gwynal einmal im Monat in jedes Mal ausverkauften Vorstellungen mit seiner Harfe auftrat. Dass ein großer Teil von Ashtons Freizeit Stevie gehörte, verstand sich beinahe von selbst.
Jetzt konzentrierte er sich aber vollkommen darauf, Morton Phelps dingfest zu machen. Der ehemalige Präfekt durfte ihnen nicht noch einmal entkommen.
In der besagten Sporthalle brannte Licht, als sie dort ankamen, doch eine vampirische Präsenz war nirgends zu spüren. Das konnte bedeuten, dass noch keiner der von Phelps hierher beorderten Vampire anwesend war, es sei denn, die hätten ebenfalls alle den magischen Schutz erhalten, durch den die Wächter ihre Ausstrahlung nicht mehr wahrnehmen konnten. Vorsicht war also in jedem Fall angebracht.
Dafür bemerkten sie etwas anderes.
»Blut«, stellte Ashton leise fest, als sie sich der Halle vorsichtig näherten. »Menschenblut. Es riecht nach Tod.«
»Nach toten Menschen, ja«, bestätigte Stevie grimmig. »Ich fürchte, Phelps hat diesmal jedes Maß überschritten und das Schlimmste getan.«
Sie schwärmten aus und sicherten die Umgebung, doch weder Phelps noch ein anderer Vampir waren in der Nähe. In einiger Entfernung trieben sich lediglich zwei junge Männer herum, die wohl auf jemanden warteten. Dennoch hatte Ashton ein reichlich ungutes Gefühl, als sie schließlich die Halle betraten.
»Irgendwas stimmt hier nicht«, warnte er seine Begleiter.
»In der Tat«, bestätigte Gwynal. »Trotzdem müssen wir hinein und nachsehen, was da passiert ist. Übernimmst du die Vorhut, Ashton?«
Ashton nickte und öffnete vorsichtig die Tür, ganz langsam Millimeter für Millimeter, für den Fall, dass die Tür mit einer Sprengfalle präpariert war oder etwas Anderem, obwohl sein Geruchssinn keinen Sprengstoff oder eine ähnliche Substanz wahrnahm. Die ganze Tür roch nur nach Kunststoff, Stahl und den Ausdünstungen der unzähligen Menschen, die sie in der letzten Zeit berührt hatten. Die Vampire konnten gefahrlos eintreten.
Hinter der Tür befand sich ein langer Gang, der zu den Umkleidekabinen und Duschräumen führte und an dessen Ende eine weitere Tür in die Halle führte. Der Geruch nach Blut und Tod war dort besonders intensiv. Ashton öffnete auch diese Tür ebenso vorsichtig, aber auch an dieser war keine Falle angebracht.
Dahinter bot sich ihnen ein entsetzliches Bild.
Offenbar hatte hier eine Gruppe von elf jungen Basketballspielern ihr Abendtraining absolviert, als der Tod sie in Form von mehreren Vampiren heimgesucht hatte. Sie waren alle vollständig ausgesaugt worden, sodass der Blutverlust zu ihrem Tod geführt hatte.
»Heilige Mutter Gottes!«, entfuhr es Stevie unwillkürlich, und ihre Stimme war rau vor Wut, die nicht nur sie angesichts dieser sinnlosen und brutalen Schlachtung empfand.
Obwohl sie nicht nachsehen mussten, ob noch einer von ihnen lebte, da sie dessen Herzschlag gehört hätten, untersuchten sie die leblosen Körper dennoch. Ashton sog trotz des Ekels, den er verspürte, die Luft tief in seine Lungen ein und nahm alle Gerüche in sich auf, die darin schwebten. Er würde jeden Einzelnen der Vampire, die für dieses Massaker verantwortlich waren,
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