Das Gesetz der Vampire
jederzeit am Geruch identifizieren können. Sie würden ihrer gerechten Strafe nicht entkommen. Jedoch ...
»Das ist eine Falle! Phelps ist nie hier gewesen! Ich kenne seinen Geruch.«
Die Wächter sahen einander an.
»Raus hier!«, befahl Sean.
Doch es war bereits zu spät. Etwas fiel von der Decke herunter und zerplatzte am Boden direkt vor Seans Füßen. Glassplitter flogen herum, und eine stinkende Flüssigkeit spritzte nach allen Seiten. Während Ashton nichts weiter wahrnahm als den Geruch von faulenden Pflanzenextrakten und Chemikalien, der ihm einen leichten Brechreiz verursachte, hatte das Zeug auf seine Begleiter eine völlig andere Wirkung. Sie begannen nach Luft zu schnappen und brachen röchelnd zusammen, und Ashton fühlte, wie ihre Lebenskraft zu verlöschen begann.
»Nein!«, brüllte er verzweifelt und kniete neben Stevie nieder, nahm ihren zuckenden Körper in die Arme und schüttelte sie. »Stevie! Nein!«
Wut, Ohnmacht und Hilflosigkeit überschwemmten ihn, blendeten für einen Moment jeden klaren Gedanken aus und ließen nur noch die Angst um das Leben seiner Freunde zu. Sean rührte sich nicht mehr, und er spürte das Band zwischen ihm und dem alten Vampir rapide schwächer werden. Die Körper der anderen wanden sich noch in spastischen Zuckungen, die immer langsamer wurden, und Stevies Leben verrann stetig, während er sie im Arm hielt und ihr nicht zu helfen vermochte. In einem kleinen Winkel seines Bewusstseins wunderte er sich, warum er nicht ebenfalls von der Wirkung des Gifts betroffen war, das sie tötete und wünschte sich, dass es ihn erwischt hätte statt ihrer oder dass irgendjemand ihnen helfen könnte.
»Stevie, Stevie!«, flüsterte er. »Bleib bei mir!« Doch er konnte nichts für sie tun.
Er konnte nichts für sie tun – jemand anderes vielleicht schon. Hastig riss er sein Handy aus der Jackentasche und suchte mit fliegenden Fingern im Adressverzeichnis Sams Nummer. Er drückte die Ruftaste, als er sie gefunden hatte und betete, dass Sam ihr Handy nicht ausgeschaltet hatte.
***
Sam stand neben Dr. Hank Willowby in seinem Labor im Lotos Institut in Denver und betrachtete den Ausdruck seiner inzwischen zwölften Analyse der Substanz, die sie mit Stevie und Ashton bei GlobalTech entdeckt hatte.
»Das ist wirklich alles?«, vergewisserte sie sich.
Willowby nickte deutlich genervt. »Und wenn du mich noch hundertmal fragst, Sam, werde ich dir auch nicht mehr sagen können. Die Formel des ‚Armageddon-Projekts’ ist identisch mit diesem Stoff, und ich habe ihn sämtlichen mir bekannten Tests unterzogen. Das Zeug befördert nicht mal eine Maus ins Jenseits. Ich habe es an verschiedenen Gewebe- und Blutproben verschiedener Spezies getestet, auch an dem Vampirblut, das du mir vor ein paar Tagen gegeben hattest.« Er schüttelte den Kopf. »Nichts. Die Brühe hat zwar unangenehme Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufprobleme, aber sie bringt niemanden um.«
»Ist es in irgendeiner Form wertvoll für wen auch immer?«, ließ die Dämonin nicht locker.
Willowby zuckte mit den Schultern. »Allenfalls für Leute, die unliebsamen Zeitgenossen einen entsprechenden Streich spielen wollen.«
»Und?«, drängte Sam. »Komm schon, Hank, lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Ist es die Vorstufe zu irgendeiner anderen Substanz – oder was? Niemand bewahrt ein absolut bedeutungsloses Allerweltszeug doppelt gesichert in einem Tresor auf.«
Der Chemiker hob abwehrend die Hände. »Tut mir leid, Sam, aber das ist wirklich alles, was ich darüber sagen kann. Rein chemisch ist es harmlos für jeden, der nicht zufällig auf eine der Komponenten allergisch reagiert. Das tat aber nicht einmal das Vampirblut. Falls man es zu irgendwelchen bestimmten Zwecken verwenden will, so muss man es noch zusätzlich in einer Weise verarbeiten oder als Beimischung einer anderen Substanz nehmen, die ich mir aber nicht im Entferntesten vorstellen kann.« Willowby seufzte. »Und nachdem das jetzt geklärt ist, kann ich wieder an meine normale Arbeit zurückkehren?«
Sam konnte, wenn sie wollte, die unerschütterliche Ruhe und endlose Geduld in Person sein – jedoch nicht in diesem Moment. Sie gab ein gereiztes Knurren von sich, das dem eines wütenden Raubtiers ungemein ähnlich klang, deutete auf das Glasröhrchen mit der Flüssigkeit, das in einem hermetisch abgeschlossenen Panzerglasbehälter lag und sprach ein einziges Wort: » Aríkunee!«
Das Glasröhrchen glühte
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