Das Gesetz der Vampire
und mit nur noch dreißig bis vierzig Jahren zu leben. Die aber konnte er im Sonnenlicht verbringen, in seinem Hause wohnen bleiben und würde nie gezwungen sein, ein ewiges Nomadenleben zu führen mit maximal fünfzehn Jahren am selben Ort. Er würde in seiner Heimatstadt bleiben können und eines Tages in Ruhe und Beschaulichkeit seine Pension genießen, wenn er zu alt war, um noch aktiv Verbrecher jagen zu können. Eine wundervolle Aussicht.
Allerdings ...
Ashton lächelte erleichtert und sagte: »Danke, Sam, aber ich bleibe, was ich bin.«
Für einen kurzen Moment fühlte er einen scharfen Schmerz in seinem Inneren, ehe ihn schlagartig eine tiefe Ruhe überkam. Seine Leere war wie weggeblasen, und er sah seinen neuen Lebensweg mit einem Mal so klar vor sich, als hätte jemand einen Schleier gelüftet, der bis jetzt alles in Nebel gehüllt hatte. Mit einem halbherzigen Erschrecken über die Konsequenzen seiner Entscheidung verging auch noch der letzte Rest seiner Anklammerung an sein früheres Menschsein, ließ er die Vergangenheit vollständig los und akzeptierte die Gegenwart vorbehaltlos und damit alles, was er in Zukunft daraus machen konnte.
Er atmete auf, als wäre eine schwere Last von seinen Schultern gefallen und fühlte sich mit einem Mal wieder kraftvoll und energiegeladen und vollkommen eins mit sich selbst. »Sam, ich danke dir von ganzem Herzen für deine Mühen«, begann er und unterbrach sich, weil die Dämonin breit grinste. »Was ist?«, fragte er irritiert.
»Dass du dich entscheiden würdest, ein Vampir zu bleiben, war mir von Anfang an klar.«
Ashton starrte sie perplex an. »Wieso war dir das klar?«, schnappte er schärfer, als er es beabsichtigt hatte. »Ich habe es bis zu diesem Moment ja selbst nicht gewusst.«
Sie lachte leise, wurde aber gleich wieder ernst. »Ashton, ein Sukkubus zu sein bedingt unter anderem auch, dass ich die tiefsten Bedürfnisse der Menschen – oder anderer Wesen – instinktiv erfassen kann, ganz gleich ob sie sexueller oder sonstiger Natur sind. Egal wie tief diese Gelüste im Innersten vergraben sind, egal wie unbewusst oder marginal, ich kann sie spüren. Deshalb habe ich auch deine innersten Wünsche in dem Moment erkannt, als ich dir das erste Mal begegnet bin. Wenn du wirklich wieder ein Mensch geworden wärst, so hättest du es schon unmittelbar danach zutiefst bereut, denn nur ein Vampir zu sein, gibt dir das, was du brauchst, um der Mann werden zu können, der du immer sein wolltest.«
Ashton blickte sie fassungslos an. »Würdest du mir bitte erklären, was für ein Mann ich deiner Meinung nach sein will?«
»Nicht meiner Meinung nach, Ashton, sondern nach deinen ureigenen Vorstellungen, auch wenn du dir derer bisher nicht bewusst gewesen bist. Du warst schon von Geburt an einer der seltenen Krieger des Lichts , wie wir Dämonen euch nennen. Das sind die Wesen, denen es ein zutiefst verinnerlichtes Bedürfnis ist, dem Licht – also dem Guten – zu dienen und diejenigen vor dem magischen oder profanen Bösen zu beschützen, die sich nicht selbst schützen können. Notfalls auch unter Einsatz und Opferung ihres eigenen Lebens.«
»Deshalb bin ich ursprünglich Polizist geworden«, bestätigte Ashton. »Doch ich verstehe nicht, wieso ich deiner Meinung nach nur als Vampir ein ›Krieger des Lichts‹ sein kann.«
Sam schmunzelte. »Weil du nur als Vampir in der Lage bist, nicht nur die Schwachen unter den Menschen zu schützen, und zwar auf eine Weise, wie du es als Mensch niemals vermocht hättest, sondern auch als Wächter eine ganze Spezies zu beschützen und noch sehr viel mehr zu tun. Als Vampir bist du in deinem ‚Job’ zehnmal so effektiv wie als einfacher Cop oder Jäger.« Sie sah ihm in die Augen und lächelte wohlwollend. »Deshalb kann ich dir auch Brief und Siegel darauf geben, dass du, nachdem du dich jetzt entschieden hast, ein Vampir zu bleiben, nicht nur innerhalb kürzester Zeit diese neue Existenz vollständig akzeptiert haben wirst, sondern dass du sie mit ganzem Herzen und ganzer Seele annehmen wirst. Sie ist schon längst ein Teil von dir, auch wenn du das bisher nicht wahrgenommen hast.
Anders ausgedrückt, Ashton, die Fähigkeiten eines Vampirs entsprechen den Bedürfnissen deines innersten Wesens so stark, dass du sie nie wieder freiwillig aufgeben würdest. Im Gegenteil. Ich bin der Überzeugung, dass du diese Kräfte – diese Verwandlung – erhalten hast, um deine besten Eigenschaften in Vollendung entfalten zu
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