Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
Vom Netzwerk:
Überführung und wenn Sie sonst Hilfe brauchen …«
    Die Frau hatte genickt und schnell » Sì, sì «, gesagt. Dann hatte sie ihn hinausgeschoben. Der Sergente war sich sicher gewesen, dass sie es nie wagen würde, sich bei ihm zu melden. Er hatte ihr mit einer angedeuteten Bewegung an seine Mütze zugenickt und sich verabschieden wollen, doch die Frau hatte so hastig die Tür geschlossen, dass seine ausgestreckte Hand grußlos in der Luft verharrt war.
     
    Claras Brief war in der Zwischenzeit über Trient nach Rom und endlich nach Reggio di Calabria gelangt. Dort wurde er mit all den anderen Briefen, Rechnungen, Mahnungen, Postkarten, Paketen und Zeitungen sortiert und in die einzelnen Postautos verfrachtet. Jetzt lag der Brief in einem Plastikkasten in der Postverteilungsstelle von San Sebastiano bereit. Die Postbeamten konnten jedoch zur üblichen Zeit am Vormittag nicht starten, da die Polizei nach der Explosion auf dem Friedhof die Straße zur Altstadt gesperrt hatte. Die Sirenen der Einsatzwagen gellten unablässig durch die Straßen. Die beiden Männer in den hellblauen kurzärmeligen Hemden, deren Tour und wohl auch deren Feierabend sich damit erheblich verzögerte, lungerten genervt im Postamt herum, rauchten, gingen in die Bar auf der anderen Straßenseite, um einen caffè zu trinken und die Zeitung zu lesen.
     
    Rosa Pizzichino sog den Speichel durch ihre lose Prothese ein, was ein zischendes Geräusch verursachte. Durch die Spitzenvorhänge ihres Küchenfensters hatte sie das Polizeiauto am Morgen gesehen. Früh am Morgen, es war gerade mal halb acht gewesen. Kurz darauf war Francescas Jüngster aus dem Haus gekommen und zur Haltestelle des Schulbusses gegangen, der ihn hinunter nach San Sebastiano bringen würde. Natale, Liebling seines nichtsnutzigen Vaters und Schrecken der ganzen Nachbarschaft, war dahingeschlichen wie ein geprügelter Hund. Er hatte nicht einmal seine Kameraden beachtet, die wenige Meter vor ihm her liefen. Mit gesenktem Kopf ging er an Rosa Pizzichinos Haus vorüber, die Hände hingen schlaff herunter. Das war ungewöhnlich. Es musste etwas passiert sein. Rosa Pizzichino wagte nicht hinüberzugehen, solange Francescas Mann noch im Haus war. Sie verabscheute Salvatore Malafonte. Ein ehrloser Geselle war das, bildete sich etwas darauf ein, für ihn schmutzige Geschäfte erledigen zu dürfen. Glaubte, deswegen der ehrenwerten Gesellschaft anzugehören. Sie zog noch einmal rasselnd die Luft ein und wandte sich vom Fenster ab. Sie würde erst einmal zum Bäcker gehen und sich zwei cornetti alla crema kaufen. Dort war auch immer der neueste Klatsch des Tages zu bekommen. Ihr Besuch bei Francesca würde bis zum Nachmittag warten müssen. Nachmittags war Salvo mit Sicherheit nicht da.
     
    Francesca Malafonte brach nicht zusammen. Nicht gleich. Sie räumte den Tisch ab, spülte die Tassen und bemühte sich, ihren Mann nicht sehen zu lassen, wie ihre Hände zitterten. Salvatore blieb vor dem Fernseher sitzen und stierte auf ihn. Es gab eine dieser Morgenshows, in denen viel geredet und herumgealbert wurde. Der Moderator, ein braungebrannter Fünfziger mit gefärbtem Haar, sang auch hin und wieder.
    Wir haben keinen Sohn mit dem Namen Angelo.
    Aus der Perspektive ihres Mannes hatten sie ihren Sohn im vergangenen Jahr verloren, an jenem Tag, als er das Unverzeihliche getan hatte. Den Verrat begangen. Ihm Schande gemacht. Er war ein Feigling, ein Unwürdiger, pezza di nenti . Francesca konnte ihr Zittern nicht mehr verbergen. Sie hielt sich an der abgestoßenen Kante der Spüle fest und starrte durch das kleine Fenster hinaus auf die Straße. Es wurde ein schöner Tag.
     
    »Tot sagst du?« Rosa Pizzichino schwieg betroffen. Sie war unten gewesen in San Sebastiano, gestern Abend, beim Fest. Sie hatte die Bilder gesehen, die der Junge dort aufgestellt hatte. Sie hatte gleich gewusst, dass es nur Angelo sein konnte, der auf der Zeichnung abgebildet war. Die Ähnlichkeit war zu groß, und Angelo war verschwunden, zur gleichen Zeit, als der Junge, den alle schon für tot gehalten hatten, wieder aufgetaucht war. Sie watschelte schwerfällig zum Küchentisch und zog sich einen der Plastikstühle heran. Ächzend ließ sie sich darauffallen.
    Francesca griff nach der durchsichtigen Flasche auf dem Bord über dem Fenster, nahm ein Glas und goss ihr stumm einen Grappa ein. Auf dem Herd köchelte ein Topf mit Fleischsoße leise vor sich hin, und es duftete verlockend nach Lorbeer und Oregano. Sara,

Weitere Kostenlose Bücher