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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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zu haben, und er wusste, auch Carmela würde sie gutheißen.
    Als er an der Familiengruft der de Caprisis vorbeikam, fiel ihm auf, dass das kleine Tor am Eingang offen stand. War etwa die Baronessa hier? Er hatte sie noch nie um diese Zeit hier gesehen. Er überlegte, ob er nachsehen und die Baronessa auf ihren tapferen Enkel ansprechen sollte, überlegte es sich dann jedoch anders und ging weiter. Fast war er schon am Grab der de Caprisis vorbei, als ein ohrenbetäubender Knall die Luft zerriss. Die Explosion schleuderte das kleine Gatter aus seinen Angeln, es traf Dott. Isotti mit voller Wucht am Kopf, noch bevor die Druckwelle ihn ergriff und wegschleuderte. Als er mit dem Rücken gegen die Friedhofsmauer prallte, war er bereits tot, und von dem Gehstock, den seine Frau ihm vor vielen Jahren geschenkt hatte, war nichts mehr übrig geblieben als einige scharfkantige Splitter, die verstreut zwischen Steinbrocken auf dem sandigen Weg liegen blieben.
     
    Sergente Barbabietola fluchte heftig, als er das Haus der Familie Malafonte verließ und zurück zu seinem Auto ging, um das zwei magere Jungen wie streunende Hunde herumschlichen. Er verscheuchte die beiden, wie er es bei Hunden auch getan hätte, und setzte sich in seinen Wagen, ohne jedoch loszufahren. Stattdessen legte er seine Uniformmütze ab, verschränkte die Arme auf dem Lenkrad und vergrub sein Gesicht darin. Die Augen dieser Frau. Der Ausdruck darin. Wann würde er es diesmal vergessen haben? Er hatte schon öfters ähnliche Nachrichten überbringen müssen, und jedes Mal hatte sich der Gesichtsausdruck der Betreffenden bei ihm eingeprägt. Man vergaß diese Gesichter lange nicht. Jedes sah anders aus in seinem Entsetzen, in dem Begreifen dessen, was er versuchte, so behutsam wie möglich zu sagen. Die kleine Frau dort in dem düsteren, vollgestellten Raum hatte ihn angesehen wie einen Geist. Sie hatte überhaupt nicht reagiert.
    Irgendwann war ihr Blick Hilfe suchend zu dem Mann gewandert, der im Unterhemd zusammen mit einem Jungen von etwa zwölf, dreizehn Jahren, am Küchentisch vor dem Fernseher saß und rauchte. Er hatte den Fernseher nicht abgeschaltet, als der Sergente durch die niedrige Tür gekommen war, und ihn nur abschätzend gemustert. Als Barbabietola ihnen unbehaglich und mit einiger Mühe um die richtigen Worte mitgeteilt hatte, dass ihr Sohn Angelo in Bozen verstorben sei, hatte der Mann den Blick wieder dem Fernseher zugewandt, so als hätte er den Sergente gar nicht gehört. Nur der Junge hatte ihn mit offenem Mund angestarrt, jedoch nicht gewagt, etwas zu sagen. Auch danach, als der stumme, flehende Blick seiner Frau ihn traf, hatte der Mann nicht aufgesehen.
    »Salvo …«, hatte die Frau geflüstert, tonlos, ängstlich, und der Sergente hatte versucht, die blauen Flecken an ihren Oberarmen und ihre unterwürfige Haltung ihrem Mann gegenüber zu ignorieren. Er war auf diesen stoischen Mann so wütend geworden, den die Nachricht vom Tod seines Sohnes überhaupt nicht zu erreichen schien, dass er versucht gewesen war, ihn zu packen und zu schütteln. »Signor Malafonte«, hatte er gebellt, lauter als beabsichtigt, und gesehen, wie der Junge ihm einen erschrockenen Blick zuwarf. Er hatte ein rundes Gesicht und schiefe Schneidezähne und trug das Trikot der italienischen Fußballnationalmannschaft.
    »Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«
    Jetzt, endlich, hatte Salavatore Malafonte den Blick von der flimmernden Scheibe abgewandt. Er hatte ein breites Gesicht mit tief liegenden, dumpfen Augen. »Ich habe Sie gut verstanden, Sergente«, hatte er geantwortet. »Aber Sie verstehen mich nicht: Wir haben keinen Sohn, der Angelo heißt.« Er hatte besitzergreifend den Arm um den Jungen, der bei dem Namen seines Bruders verstohlen geblinzelt hatte, gelegt und sich wieder dem Geschehen auf der Mattscheibe zugewandt.
    »Wie bitte?« Sergente Barbabietola hatte heftig den Kopf geschüttelt. »Sind Sie total be …«
    Die Hand der kleinen Frau hatte sich wie eine Vogelklaue in seinem Arm gekrallt, und sie hatte stumm den Kopf geschüttelt. Angst hatte in ihren wasserhellen Augen gestanden. Nach einem kurzen Augenblick der stummen Zwiesprache mit diesen Augen hatte der Sergente nachgegeben. Er hatte mit den Schultern gezuckt und war zur Tür gegangen. Der Mann hatte ihn nicht mehr beachtet. Vor der Tür hatte sich der Sergente noch einmal der Frau zugewandt und leise gesagt: »Rufen Sie mich in der Questura an, wegen den Einzelheiten, der

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