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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Blauschimmelkäse separat gereicht. Zum Nachtisch erwartete sie ein ganzer gedeckter Pfirsichkuchen und dazu Vanilleeis, das in einer Schale mit gestoßenem Eis bereitstand.
    Während des Essens starrte sie das Skalpell an, das am späten Vormittag auf ihrer Badematte abgelegt worden war. Es lag wie ein Buttermesser quer über ihrem Brotteller.
    Sie wusste nicht, was das Skalpell mit den verstohlenen scharrenden Rattengeräuschen zu tun hatte, die sie mehrfach gehört hatte, aber sie war sicher, dass zwischen beidem eine Verbindung bestand.
    Es gibt keine andere Welt als diese hier. Alles Fleisch ist vergänglich und welkt dahin wie Gras, und die Felder des Geistes werden ebenfalls vom Tode geschwärzt und wachsen nicht wieder grün nach. Diese Überzeugung ist eine unentbehrliche Voraussetzung für das Credo des Materialismus; und Erika ist ein Soldat in der entschlossenen Armee, die zwangsläufig die Erde erobern und diese Philosophie von einem Pol zum anderen verbreiten wird.
    Und doch konnte Erika, obwohl ihr Schöpfer ihr den Glauben an das Übernatürliche verbot und ihre Herkunft aus dem Labor nahe legte, dass intelligentes Leben ohne göttliche Inspiration fabriziert werden kann, das Gefühl nicht ganz
abschütteln, dass den Vorfällen der letzten Zeit etwas Unheimliches anhaftete. Nicht nur der Schimmer von Edelstahl schien das Skalpell funkeln zu lassen, sondern auch … Magie.
    Als hätte sie durch ihre Gedanken eine Tür zwischen dieser Welt und einer anderen geöffnet, schaltete eine unerklärliche Macht den Plasmabildschirm des Fernsehers an. Erika blickte erschrocken auf, als der Bildschirm zum Leben erwachte.
    Die Fernbedienung lag im Moment unberührt auf Victors Nachttisch.
    Eine körperlose Geistererscheinung schien durch die Kanäle zu zappen. Bilder ruckten rasant über den Bildschirm, und das Tempo nahm immer noch zu.
    Als Erika ihre Gabel hinlegte und ihren Stuhl vom Tisch zurückstieß, wählte die Geistererscheinung einen Kanal, der nicht belegt war. Elektronisches Schneegestöber ließ die große Leinwand weiß werden.
    Da sie ahnte, dass sich jeden Moment etwas Bizarres – und etwas von größter Bedeutung – abspielen würde, erhob sich Erika.
    Die Stimme – tief, rau und unheilvoll – kam aus dem nicht belegten Kanal und drang durch die Lautsprecher des Dolby Surround Soundsystems in der Decke: » Töte ihn. Töte ihn. «
    Erika entfernte sich vom Tisch und ging auf den Fernseher zu, hielt jedoch nach zwei Schritten inne, da es ihr unklug erschien, dem Bildschirm zu nahe zu kommen.
    » Stoße ihm das Skalpell ins Auge. Ins Gehirn. Töte ihn. «
    »Wer bist du?«, fragte sie.
    » Töte ihn. Stich es tief hinein und dreh es um. Töte ihn. «
    »Wen soll ich töten?«
    Die Geistererscheinung antwortete nicht.
    Sie wiederholte ihre Frage.
    Auf dem Plasmabildschirm begann sich ein bleiches, asketisches
Gesicht von dem Schnee abzuheben. Im ersten Moment nahm sie an, dies müsse das Gesicht eines Geistes sein, doch als es allmählich Charakter annahm, erkannte sie Victor mit geschlossenen Augen und entspannten Zügen, als sei es seine Totenmaske.
    » Töte ihn. «
    »Er hat mich erschaffen.«
    » Um dich zu benutzen. «
    »Ich kann es nicht.«
    » Du bist stark. «
    »Ausgeschlossen.«
    » Töte ihn. «
    »Wer bist du?«
    » Das Böse «, sagte die Stimme, und sie wusste, dass diese Geistererscheinung nicht von sich selbst, sondern von Victor sprach.
    Wenn sie sich auf dieses Gespräch einließ, würde sie zwangsläufig in Erwägung ziehen, Victor zu verraten, und sei es auch nur, um Gründe dafür vorzubringen, dass es ihr unmöglich war, die Hand gegen ihn zu erheben. Allein schon der bloße Gedanke daran, ihren Schöpfer zu töten, konnte ohne weiteres ihren eigenen Tod nach sich ziehen.
    Jeder Gedanke hinterlässt eine einzigartige elektrische Signatur im Gehirn. Victor hatte die Signaturen identifiziert, die für den Gedanken standen, ihm gegenüber gewalttätig zu werden.
    In Erikas Gehirn war – wie in das Gehirn jedes einzelnen Angehörigen der Neuen Rasse – ein winzig kleines Gerät eingepflanzt, das darauf programmiert war, die Signatur des Gedankens an Vatermord … an Gottesmord zu erkennen.
    Falls sie jemals mit der Absicht, sie gegen Victor einzusetzen, eine Waffe in die Hand nehmen sollte, dann würde dieser Spion in ihrem Innern augenblicklich ihr Vorhaben erkennen. Er würde sie in einen Zustand vollständiger
Lähmung versetzen, aus dem nur Victor sie befreien

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