Das Gesicht
dass es keine Frage von persönlichen Animositäten war.
»Es dreht sich um Ästhetik«, sagte er beispielsweise. Oder: »Sie sind doch sicher einer Meinung mit mir, dass man tot besser dran ist als hässlich.« Oder: »Ich tue lediglich im Sinne Darwins mein Werk zur Förderung der Schönheit der Spezies.«
Schrotflinten waren faszinierend, wenn er die Muße hatte, in aller Ruhe nachzuladen und mit zunehmender Nähe insgesamt vier oder gar sechs Federal-3 inch-ooo-Patronen zum Einsatz zu bringen, die eine ungeheure Durchschlagkraft besaßen. So konnte er die hässliche Person nicht nur aus
dem Genpool entfernen, sondern durch die Munition noch dazu ihre Hässlichkeit ausradieren und eine Leiche unkenntlich und derart zerstört zurücklassen, dass an eine Bestattung mit offenem Sarg gar nicht zu denken war.
Im Laufe dieser Jahre auf Reisen, die voller Erfolgserlebnisse waren, erfuhr Roy die Form von Befriedigung, die edlen Absichten und lohnenswerter Arbeit entsprang. Er ging davon aus, dies würde sein Lebenswerk sein, und es bestünde keine Notwendigkeit, jemals neue Fähigkeiten zu erwerben oder sich zur Ruhe zu setzen.
Im Lauf der Zeit gelangte er jedoch schweren Herzens zu der Schlussfolgerung, die Welt sei mit zu vielen hässlichen Menschen bevölkert und daher könne er auf sich gestellt trotz aller Mühen keine Gewähr für hübschere zukünftige Generationen übernehmen. Tatsächlich erschien es ihm sogar so, als würde die Welt umso hässlicher, je mehr Menschen er tötete.
Die Hässlichkeit hat die Wucht eines Tsunami. Sie arbeitet der Entropie in die Hände. Wenn ein Einzelner Widerstand leistet, mag das zwar bewundernswert sein, aber gegen die gigantischsten Naturgewalten lässt sich damit nichts ausrichten.
Schließlich kehrte er nach New Orleans zurück, um sich auszuruhen und seine Mission noch einmal zu überdenken. Er kaufte dieses Gebäude und baute das Dachgeschoss zu einer Wohnung aus.
In ihm kam der Verdacht auf, er hätte sich zu lange mit zu vielen hässlichen Menschen abgegeben. Obwohl er sie alle getötet und der Menschheit ihren Anblick fürderhin erspart hatte, hatte ihre Hässlichkeit vielleicht in irgendeiner Form auf ihn selbst abgefärbt.
Zum ersten Mal erfüllte ihn sein Spiegelbild mit Besorgnis. Mit schonungsloser Ehrlichkeit musste er sich eingestehen, dass er zwar immer noch wunderschön war und mit
Sicherheit zum obersten Zehntel des einen Prozents der schönsten Menschen auf Erden zählte, aber vielleicht war er nicht mehr ganz so schön, wie er es gewesen war, bevor er sich mit seinem Explorer auf den Weg gemacht hatte, um der Menschheit die Hässlichkeit zu ersparen.
Da er ein vorausschauender und entschlossener Charakter war, hatte er sich nicht der Verzweiflung anheim gegeben. Er hatte ein Programm entwickelt, bei dem Ernährung, Gymnastik, Nahrungsergänzungsmittel und Meditation sorgsam ineinander griffen, um seine einstmalige Pracht wiederzuerlangen.
Wie es ein jeder Spiegel heute zeigte, war ihm das gelungen. Er bot einen atemberaubenden Anblick.
Dennoch dachte er an jene Jahre der Rehabilitation oft als die Vergeudeten Jahre, denn während er sich selbst wiederherstellte, hatte er keine Zeit zum Töten gefunden. Und keinen Grund, jemanden zu töten.
Roy war ein zielorientierter Mensch und verspürte das tiefe Verlangen, seinen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Er tötete nicht einfach nur, um zu töten. Es musste einen konkreten Sinn und Zweck haben.
Als er auf die Idee gekommen war, die idealen Bestandteile der perfekten Frau zusammenzutragen und zu konservieren, hatte er darüber frohlockt, dass sein Leben wieder einen Sinn hatte.
Später einmal würde er seine Sammlung vielleicht anonym einem bedeutenden Museum spenden. Die Akademiker und Kritiker, die sich für die moderne Kunst einsetzten, würden den Wert seiner zusammengetragenen Frau augenblicklich erkennen und ihn für seine Brillanz rühmen.
Aber vorher musste er dieses lebende weibliche Wesen finden, das bis ins kleinste Detail vollkommen und ihm als Gefährtin bestimmt war, doch dieses Geschöpf wollte sich einfach nicht fassen lassen. Bis dahin würde er die Sammlung
brauchen, um sie auszubreiten und seine Auserwählte Stück für Stück mit all diesen vollendeten Teilen zu vergleichen, damit er sicher sein konnte, dass sie in jeder Hinsicht seinen höchsten Ansprüchen genügte.
Zweifellos würde ihm seine ersehnte Venus sehr bald über den Weg laufen – ein weiterer Grund, weshalb er
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