Das Gewicht der Liebe
würde allein sein.
Gestern Abend hatte Ellen Johnny die Geschichte erzählt, auf die Franny und sie sich geeinigt hatten. Simone war nichts anderes übrig geblieben, als sich ihnen anzuschließen. Simone war mit Baby Olivia im Pool gewesen, und Baby Olivia hatte sich aus ihren Armen gewunden. Nanny Franny hatte sie zwar sofort wieder herausgefischt, doch als Merell ihre Schwester ein paar Sekunden unter Wasser sah, hatte sie das als willkommenen Anlass genommen, das System 911 auszuprobieren. Es war nicht unbedingt ein Streich gewesen, eher eine Art Experiment.
Johnny hatte keinen Tobsuchtsanfall bekommen. Stattdessen grummelte er, drohte, er werde sich Merell »später vorknöpfen« und rief dann den Polizeichef unter seiner privaten Nummer an. Sie spielten zusammen Tennis, und offenbar hatte der Polizeichef nichts dagegen, während des Abendessens einen Anruf von Johnny Duran zu erhalten. Ellen schnappte bei dem Gespräch etwas über »klugscheißerische kleine Gören« auf. Der Polizeichef hatte versprochen, die Sache aus der Welt zu schaffen, doch bevor er an die Unterlagen herankam, hatte schon jemand aus der Polizeiwache die Geschichte an einen Mann weitergegeben, der einen Polizei-Blog schrieb. Jetzt war der Vorfall überall in den Nachrichten, und das Telefon klingelte seit sieben Uhr morgens ununterbrochen. Bevor Johnny zur Arbeit ging, hatte er darauf bestanden, dass niemand ans Telefon ging, es sei denn, seine Stimme wäre auf dem Anrufbeantworter zu hören. Dennoch vernahm Ellen natürlich die aufgesprochenen Nachrichten der Reporter. Und was sie hörte, erfüllte sie mit der Zuversicht, dass diese Leute keine Ahnung hatten. Sie fischten nur im Trüben, und der Klatsch würde sich von selbst erschöpfen. In einer Stadt von der Größe San Diegos gab es immer eine neue Story, um die Öffentlichkeit abzulenken.
»Merell, was geschehen ist, war ein Fehler, aber zum Glück ist kein größerer Schaden angerichtet worden. Du musst mir jetzt dein Wort darauf geben, dass du mit niemandem darüber sprichst. Weder mit deinem Vater noch mit deiner Tante.«
»Im History Channel haben sie neulich gebracht, dass Gott zu Moses gesagt hat, lügen ist eine Sünde.«
»Wir lügen nicht. Wir erzählen nur nicht alle Details.«
»Ich habe der Polizei gesagt, ich hätte nur angerufen, weil ich sehen wollte, was passiert. Das ist eine Lüge.«
»Schwör es mir, Merell. Gott wird es verstehen.«
4
R oxanne rief Ty an, um ihm mitzuteilen, sie werde noch eine Weile bei ihrer Schwester bleiben, aber er solle keine Bange haben, sie werde rechtzeitig zurück sein, um das Flugzeug zu erwischen. Dann lockte sie Simone in eine Schaumbadwolke, wusch ihr das Haar und föhnte es trocken. Anschließend ging Simone, in Shorts und ein Tanktop gekleidet, wieder ins Bett und zog die Decke über sich.
»Du bist ganz schön anstrengend, Roxanne.«
»Dich strengt alles an, aber du wirst dich besser fühlen, sobald du aufstehst und dich bewegst. Ich werde jetzt die Klimaanlage ausstellen und die Fenster öffnen.«
»Ich mag keine zugigen Räume.«
»Wieso? Seit wann hast du etwas gegen Zugfahren?«
Simone kicherte und zog sich die Decke über das Ge sicht, sodass nur noch ihre riesigen braunen Augen hervor schauten. »Rox, du bist der einzige Mensch, der mich zum Lachen bringen kann.«
»Also steh auf, dann werde ich dir alle Witze erzählen, die ich im Internet gelesen habe. Großer Gott, bist du mager! Hast du heute schon etwas gegessen?«
»Ich habe etwas Suppe gegessen.«
»Zum Frühstück? Was für eine Suppe?«
»Keine Ahnung. Franny hat sie mir nach oben gebracht. Sie hat mir nicht geschmeckt.«
Roxannes Daumen und Zeigefinger schlossen sich mühe los um das Handgelenk ihrer Schwester. »Du bist viel zu dünn, Kleines.«
»Das kleine Monster ist ein Kannibale.«
Roxanne starrte ihre Schwester an. »Du bist schwanger? Schon wieder? Das ist viel zu früh. Wie alt ist Olivia noch mal?«
Simone gähnte, ohne die Hand vor den Mund zu halten.
»Du klingst wie ein Nilpferd.«
»Züge. Nilpferde. Ist heute Ausflugstag?«
»Ich mache keine Scherze, Simone. Antworte einfach auf meine Frage. Wie alt ist Olivia?«
»Daran kann ich mich selbst nicht mal mehr erinnern.«
Roxanne fehlten die Worte, um auszudrücken, wie beunruhigend und traurig diese Gleichgültigkeit auf sie wirkte.
»Wie weit bist du?«
»Zwei Monate, vielleicht drei.«
Roxanne schnappte nach Luft. »Dein armer Körper.«
»Es ist nicht meine Schuld, dass
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