Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
Fern und sah Tahn und Sutter mit schmalen Augen an, »daran solltet ihr denken, wenn ihr wieder einmal keine Geduld mit dem Sheson haben wollt. In jedem Fall ist dies nicht die rechte Zeit, um mit Fremden über solche Dinge zu sprechen. Hütet das Geheimnis des Heiligen Tals.«
Ohne ein weiteres Wort stieg Mira aus der heißen Quelle. Tahn bewunderte sie mit noch größerem Begehren und neuer Wertschätzung. »Ich ziehe mich an und warte in der Küche auf euch. Lasst euch ruhig Zeit, Freunde aus dem Helligtal.« Sie kleidete sich ohne Hast vor ihren Augen an, schnallte ihre Waffen um und stieg die Treppe hinauf.
»Wir kommen gleich nach.« Sutter versank bis über den Kopf im dampfenden Wasser.
Sie warteten, bis Mira die Tür am Kopf der glitschigen Treppe geschlossen hatte, dann wandten sie sich mit schockierten Mienen einander zu. Sie waren so erstaunt, dass sie keine Worte fanden. Keiner von beiden wollte sich rühren, bis die Tür oben wieder geöffnet wurde.
Die beiden lauschten aufmerksam und blickten zur Treppe hinüber. Hatte Mira etwas vergessen? Gleich darauf kamen langsam zwei alte Ehepaare in Sicht. Sie zogen sich im Gehen große Badetücher von den Schultern und enthüllten schlaffe, runzlige Haut.
»Nacktheit ist einfach nichts für alte Leute«, flüsterte Sutter.
»Wahrscheinlich macht man im Alter hier seine Badekur.« Tahn unterdrückte ein Lachen, doch dann fiel ihm auf, dass auch er und Sutter nackt waren.
Sie sprangen aus dem Wasser, rafften ihre Kleider an sich und suchten nach einem Versteck. Nichts.
Außer …
Im Halbdunkel auf der anderen Seite der Höhle bildeten mehrere Stalaktiten eine Art Mauer. Die beiden Melura aus dem Helligtal huschten hinüber, um dahinter Deckung zu suchen.
»Was machen wir jetzt? Sie können immer noch unsere Füße sehen.« Sutter hüpfte tropfnass von einem Bein aufs andere.
Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkten sie etwas, das sie zuvor übersehen hatten. Hinter der Tropfsteinwand lag eine zweite Treppe. Sie lächelten in die Finsternis hinein und kletterten blind die Stufen hinauf, bis ein schmaler Lichtspalt ihren Weg erhellte. Kurze Zeit später stießen sie auf einen Riegel, öffneten ihn und huschten, immer noch splitternackt, auf die Gasse neben dem Granitenen Haus hinaus.
Die Tür knallte hinter ihnen zu – und außen war kein Riegel. Erst wechselten sie einen erschrockenen Blick, doch dann trat ein spitzbübisches Funkeln in ihre Augen. Ihre Freude schlug allerdings gleich in Verlegenheit um, als zwei junge Mädchen zu kichern begannen, weil Tahns und Sutters Männlichkeit offen im hellen Tageslicht baumelte.
Doch die Peinlichkeit hielt nicht lange an. Sie waren unbemerkt aus dem Gasthaus gelangt!
Nachdem Braethen Mira Bescheid gegeben hatte, dass Tahn und Sutter in der heißen Quelle badeten, behauptete er, er müsse wieder zurück ins Zimmer. Erleichtert sah er sie die Treppe hinuntersteigen – er konnte es nicht mehr erwarten, endlich herauszufinden, was dem Sheson widerfahren war.
Er legte sein Emblem ab. Das würde offensichtlich mehr Neugier wecken, als ihm lieb sein konnte. Dann ging er hinaus auf die Straße und überlegte. Normalerweise hätte er sich die Zeit genommen, sich Geschichten ins Gedächtnis zu rufen, in denen dieser Ort beschrieben wurde – davon gab es viele. Aber er musste rasch entscheiden, wie er Vendanji am besten helfen konnte.
Da kam ihm ein Gedanke.
Eine Buchhandlung.
Der Ort, an dem sich Autoren aufhielten und ihre Werke verkauften, war immer ein Knotenpunkt von Wissen und gutem Rat. Im Helligtal mochte das in bescheidenerem Maße zutreffen, aber A’Posian hatte Braethen sowohl in Briefen als auch mündlich den Zauber und die Pracht der Buchhandlungen in den großen Städten Aeshau Vaals geschildert. Sein Vater hatte in jüngeren Jahren viele dieser Städte besucht, also musste er es wissen.
Schon der zweite Passant, den Braethen nach einer Buchhandlung fragte, beschrieb ihm den Weg, und er eilte drei Straßen weiter zu einem Laden namens Bücherberg, der an einer ziemlich belebten Kreuzung lag. Braethen ging schnurstracks hinein und fühlte sich sofort wie zu Hause.
»Noch ein junger Leser, der nach einem Buch sucht, ja?« Ein vom Alter gebeugter Herr mit Gehstock blickte durch dicke Augengläser zu Braethen auf.
»Vielleicht. Ich bin Braethen, Sohn von A’Posian aus dem Helligtal.«
»Sohn eines Autors! Wie geht es dir, mein Junge? Die meisten von euch Burschen wollen ja
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