Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
benutzen müssen. Der Gedanke erregte und verstörte ihn. Die Dunkelheit, die er durchlebt hatte, als er das Schwert zum ersten Mal in der Hand gehalten hatte, durchzuckte kurz seinen Verstand.
»Verurteile uns nicht, weil du hierher verbannt bist«, fuhr Vendanji fort.
Nichts regte sich im Haus. Ein Windstoß wirbelte ihnen Staub in die Augen. Vendanji wartete ab, bis die warme Brise sich gelegt hatte, und versuchte dann, die Tür zu öffnen. Die Klinke gab ungehindert nach, und die Tür schwang nach innen auf. Vendanji trat zurück und neigte sich dabei leicht nach vorn.
Bevor Braethen wusste, wie ihm geschah, verschwand Vendanji im Haus. Einen Augenblick lang war Braethen unentschlossen. Während er allein mit seinem Schwert dastand, sann er darüber nach, wie ungewöhnlich es für ihn war, ein Wohnhaus – welches Wohnhaus auch immer! – ohne ein Buch in der Hand zu besuchen. Aber der Moment ging schnell vorüber, und der Sodale sprang durch die Öffnung, das Schwert mit beiden Händen fest umklammert.
Alles wurde schwarz, und Panik übermannte ihn. Ich bin wieder in der Dunkelheit! Er packte sein Schwert fester und versuchte, sich an die Worte zu erinnern, die er beim ersten Mal gesprochen hatte, Worte, die seine Furcht gelindert hatten. Er konnte sich nicht daran erinnern, und sein Herz hämmerte. Dann ließ die Schwärze ein wenig nach. Ich bin ein Narr! Es war nicht dieselbe Leere wie zuvor; das Innere des Hauses war einfach in Dunkelheit gehüllt. Der starke Gegensatz von Helligkeit und Dunkel hatte Braethen kurz blind werden lassen. Er wandte den Kopf hin und her und versuchte, den Blick auf irgendetwas ruhen zu lassen.
Schemen und Schatten schienen ihn zu umtanzen. Er stach mit abgehackten Bewegungen mit der Klinge nach ihnen.
»Ganz ruhig, Sodale«, rief Vendanjis Stimme aus der Schwärze hervor. »Wir sind allein. Grant ist nicht hier.«
Als Braethens Augen sich gerade ans Dunkel gewöhnten, trat Mira durch die Tür. Sie hielt die Schwerter in den Händen, senkte sie dann aber und sah erst Braethen und danach sein Schwert an. »Deine Hände sind zu starr, um diese Waffe zu verwenden«, sagte sie vorwurfsvoll und ging an ihm vorbei in die hinteren Zimmer des Hauses. Braethen schob die Klinge mit einem verlegenen Lächeln in die Scheide zurück. Vendanji achtete gar nicht auf ihn, sondern studierte einen kleinen Stapel Schriftstücke, der auf dem Tisch lag.
Die kühlere, abgestandene Luft linderte die Hitze in Braethens Wangen. Obwohl sie vor der Sonne geschützt war, wirkte die Einrichtung des Hauses ausgeblichen: eine Waschschüssel auf einem Tisch; ein Bücherschrank, der bis auf drei Bände, die auf dem obersten Regal lagen, leer war; ein einfacher Tisch, um den herum vier ebenso einfache Stühle standen; und offene Schränke mit wenig Geschirr. Kein Kunstwerk schmückte die Wände, nur Bogenhaken und ein schmaler Waffenständer neben der Tür. Ein grau verfärbter Teppich, dessen Muster zu fast nichts verblasst war, bedeckte einen Großteil des Bodens. Dann sah Braethen, dass etwas an die Wand neben dem Durchgang zum Flur, der in die hinteren Zimmer führte, geheftet war. Seine Augen hatten sich an das schwache Licht gewöhnt, und er konnte ein kunstvolles Emblem erkennen, das an oberster Stelle auf ein Schriftstück gezeichnet war, das wie ein Edikt aussah.
Als er näher herantrat, sackte ihm angesichts dessen, was er las, der Unterkiefer herunter:
Dieser Erlass bezeugt, dass Meritus Denolan SeFeery willentlich Verrat an dem ihm übertragenen Beisteheramt und an der vom Höchsten Gericht und von der Liga der Edukation festgesetzten rechten Vorgehensweise begangen hat. Hiermit wird verkündet, dass Denolan SeFeery unwürdig ist, Bürger der Freien Stadt Decalam zu sein.
Im Interesse der Gerechtigkeit wird er somit auf immer in die Ödnis, die als das Mal bekannt ist, verbannt. Mit Ausnahme des Ersten Sitzes am Tisch der Regentin soll er allein wissen, welches Vertrauen dieses Urteil zum Ausdruck bringt.
Jeder, von dem man weiß, dass er Denolan SeFeery Unterschlupf gewährt, soll fortan als Verräter gelten und entsprechend verurteilt werden.
Vom heutigen Tag an wird Denolan SeFeery nicht mehr mit dem seinem einstigen Amt entsprechenden Ehrentitel eines Meritus bezeichnet werden. Sollte er je in die freien Mauern von Decalam zurückkehren, soll er sofort mit dem Tode bestraft werden.
Ein Dutzend Unterschriften standen am unteren Ende des Blattes. Das Pergament selbst war sepiafarben und
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