Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
dass wir so weit entfernt von den Ohren der Hofschranzen sind, sonst könnte dir seine Verwendung eine Nacht in Ketten einbringen.« Langes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Mit einem betrübten Flüstern fügte er schließlich hinzu: »Verwende den Namen nicht. Er bezeichnet nicht mehr den, der ich bin. Ich bin nur Grant.«
»Du solltest stolz auf deinen neuen Namen sein«, erwiderte Vendanji. »Du hast recht daran getan, dich gegen die Ungerechtigkeit des Rats auszusprechen.«
Grant ließ Vendanjis Hand los. »Du bringst doch sicher keine Begnadigung. Was also führt dich her?«
Der Sheson sah dem anderen Mann aufmerksam ins Gesicht. »Keine Lügen und keine Geheimniskrämerei …«, begann er. »Aber lass uns später reden, nachdem wir unsere Pferde geholt haben.«
Grant lächelte über irgendeinen Scherz, den nur er verstand, aber es wirkte unnatürlich auf seinem Gesicht, unnatürlich hier im Mal. Braethen fand, dass beides jetzt nicht mehr voneinander zu unterscheiden war: Sie spiegelten einander wider, und Heiterkeit passte zu keinem von beiden.
Grant hob die Hand. Vier junge Männer und zwei junge Frauen erhoben sich aus der Senke, die ihr Heim umgab, und rannten zu Grant. Jeder von ihnen war so sonnengebräunt wie Grant und trug Schwert und Bogen. Alle hatten langes Haar, das sie mit Stoffstreifen zurückgebunden hatten. Mira ließ sich keine Überraschung anmerken, aber Braethen fragte sich, ob sie gewusst hatte, dass die sechs in der Nähe gewesen waren. Die Fern musterte sie genau, als sie näher kamen. Bevor sie sich noch einmal bewegten, würde sie über die körperlichen Grenzen und Schwächen jedes Einzelnen Bescheid wissen, einfach indem sie ihren Laufstil, ihre Haltung, ihre Augenbewegungen und die Art, wie sie ihre Waffen hielten, beobachtete. Sie waren nicht viel jünger als Mira, und sie hatten den gleichen strengen Gesichtsausdruck wie Grant. Die Fern schien ihnen eine Form von Wertschätzung entgegenzubringen, die Braethen ihr noch nie jemand anderem gegenüber angemerkt hatte.
»Kümmert euch um ihre Pferde«, befahl Grant. Er wies in die Richtung, aus der Braethen und Vendanji gekommen waren. »Nehmt Wasser und Salbe mit.« Die sechs entfernten sich im Laufschritt, und Grant wandte sich dem Haus zu. »In deinen Augen stehen Fragen, Sheson. Beantworten wir sie doch, damit du gleich wieder aufbrechen kannst. Du gehörst nicht hierher.« Der Mann drängte sich an Braethen vorbei, ohne ihn zu beachten.
In seinem Haus entzündete Grant eine Lampe auf dem Tisch und fachte ein Feuer gegen die hereinbrechende Nachtkühle an. Aus einem verborgenen Becken unter dem Teppich zog er einen Krug und goss jedem von ihnen einen Becher kaltes Wasser ein. Er wartete, bis alle ihren Becher geleert hatten, und schenkte dann nach. Er ließ den Krug bei Braethen stehen und setzte sich ans Feuer.
Obwohl der Feuerschein alles in ein warmes Licht tauchte, saß Braethen nach wie vor die Kälte im Nacken. Immer wieder warf er verstohlene Blicke auf das alte Pergament, das an die Wand geheftet war.
»Du bringst einen Sodalen-Novizen aus Helligtal hierher«, sagte Grant. »Ist ihm bewusst, in welcher Gefahr er allein schon aus dem Grunde schwebt, dass er mit einem Sheson unterwegs ist?«
»Du könntest auch mich fragen«, sagte Braethen, bevor Vendanji antworten konnte.
»Er zieht als Erster und spricht als Erster«, sagte Grant. »Nun gut – dann lass mal hören.«
Braethen spürte, wie Mira und Vendanji den Blick auf ihn richteten. Grants Lippen verzogen sich abermals zu einem unbeholfenen Lächeln. Braethen sah wieder zu der Wand, an die der Erlass geheftet war. »Ich kenne deine Geschichte nicht«, sagte Braethen. »Sie steht in keinem der Bücher, die ich gelesen habe, und kein Vorleser, der je nach Helligtal gekommen ist, hat sie vorgetragen.« Er musterte Grant, in dessen Augen jetzt wieder der gleiche düstere Ernst wie zuvor lag. Braethen schaute rasch zum Feuer hinüber, um dem starren Blick auszuweichen. »Du bist vom Höchsten Gericht verurteilt worden, aber anscheinend nicht vom Orden der Sheson. Du hast keine Hemmungen, eine Frau zu beleidigen, und hilfst doch gerne, ein Pferd wiederzubeleben. Und du machst dein Haus verteidigungsbereit, ziehst Grünschnäbel an wie ein Räuberhauptmann, obwohl es hier keinen Krieg gibt, da es auch kein Leben gibt.«
»Ein Grünschnabel nennt ein anderes Kind einen Grünschnabel«, bemerkte Grant mit einem leisen Lachen.
Braethen fuhr fort: »Ich
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