Phillips Bilder (German Edition)
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Züge
Der Zug wird langsamer, rumpelt über Weichen. Vor dem Fenster zieht eine Fabrikruine vorbei, Dachfenster ohne Glas, verwitterte Schriftzüge, Birken auf dem Dach. Ich sinke tiefer in meinen Sitz, versuche mich zu entspannen.
Der Zug nimmt Fahrt auf. Die Stadt draußen bleibt schmutzig, Lagerhallen, Werkstätten, mit Graffiti überzogene Wände. Ich greife in meine Tasche und hole meine Digitalkamera heraus. Das LCD-Feld leuchtet auf. Ich halte die Kamera höher, visiere die vorbeirauschenden Wände an. Betrachte die Wirkung im Display. Der verwischte Effekt durch die Zugbewegung könnte reizvoll sein, aber das Nachmittagslicht ist platt und uninteressant. Ich lasse die Kamera sinken. Außerdem habe ich schon eine ganze Serie von Graffitiaufnahmen, nachts aufgenommen und mit Scheinwerfern betont oder mit digitalen Effekten verfremdet. Bilder von in S-Bahnfenster geritzten Schriftzügen, die untergehende Sonne leuchtet in den breiten Kratzern. Mein Laptop quillt über von solchen Bildern.
Der Zug fährt in einen Tunnel ein. Ich betrachte mein Gesicht in der Scheibe. Es scheint zu schweben, meine dunklen Locken und mein schwarzes T-Shirt verschwinden vor der schwarzen Wand. Ich schaue zu ernst, versuche meine Züge zu entspannen. Die Bahn verlässt den Tunnel, das Tageslicht löscht meine Bemühungen aus. Der Zug wird langsamer, Schilder fliegen unleserlich vorbei, ein Bahnhof bleibt stehen. Ein paar Leute steigen ein, niemand aus.
Einige Reihen weiter, aber mir zugewandt, nimmt ein blonder junger Mann Platz. Er zieht meinen Blick an, er hat blaue ernste Augen und schöne Gesichtszüge. Er trägt ein Wakiki-Shirt, silberne Ketten verschwinden darunter. Dazu ein breiter silberner Ring am Finger.
Ich zupfe an dem Ring in meiner Augenbraue. Ich bin immer noch angespannt, schaue wieder aus dem Fenster. Die Landschaft ist flach, Felder, Kiefern, kleine, gedrungene Häuschen. Das Getreide ist fahlgrün, am Bahndamm explodieren rote Farbflecke, werden weniger, vereinzeln. Melden sich als geballte Invasion zurück. Ein backsteinernes Trafohäuschen ist von Holunderbüschen umzingelt. Der Zug rast dahin, durchschneidet die Landschaft.
Ich schaue wieder zu dem blonden Mann, er erwidert meinen Blick kurz, dann legt er seine Jacke auf den Sitz vor sich und die Füße hoch. Er holt eine Spiegelreflexkamera aus seiner Tasche. Interessiert versuche ich zu sehen, was für ein Modell es ist. Seine feingliedrigen Hände drehen kundig am Objektiv der Kamera herum . Schließlich packt er sie weg, beginnt Zigaretten zu drehen. Unsere Blicke begegnen sich, er sieht mich ohne zu lächeln an und ich habe keine Ahnung, ob Interesse in seinem Blick liegt.
Ich hole meine Kamera wieder heraus, mache sie an. Die letzten Aufnahmen zeigen leere U-Bahn-Unterführungen, dreckige Bahnsteige, kaltes Neonlicht. Jetzt ärgere ich mich doch, dass ich den Laptop nicht mitgenommen habe. Ich könnte ein bisschen an den Bildern herumbasteln, aber wahrscheinlich würden sie davon auch nicht besser. Ich klicke immer schneller, aus den Bildern wird fast ein Film, ein modernes Daumenkino, es gibt ihnen Reiz.
Ein Bahnhof wird durchgesagt und ich packe meine Sachen zusammen, stehe auf. Ich gehe nach vorn, an dem blonden Mann vorbei, obwohl der andere Ausgang näher wäre. Noch einmal suche ich seinen Blick, präge mir sein Bild ein, dann hält der Zug quietschend und ich steige aus. Hitze schlägt mir entgegen. Ich gehe hinüber zum anderen Bahnsteig. Es gibt keine Anzeige, aber ich weiß, von welchem Gleis mein Zug fährt, es ist seit Jahren dasselbe.
Das Abendlicht bringt das Bahnhofsgebäude zum Leuchten, zeichnet die Details der gusseisernen Säulen. Auf der anderen Seite überwuchert Unkraut die Gleise des alten Güterbahnhofs, Birken haben sich durch die hölzerne Rampe vor den Lagergebäuden gestoßen. Ein Waggon ohne Räder rostet vor sich hin.
Es ist nicht mehr weit bis nach Hause. Vielleicht könnte ich einfach den Zug verpassen. Ein Lautsprecher knackt, sagt etwas Unverständliches an. Der Zug taucht in der Kurve auf, fährt unter der Brücke durch. Ich trete zurück. Vielleicht ist es ja ein anderer Zug. Aber er fährt auf dem Gleis vor mir ein, bremst. Eine Tür öffnet sich, zwei alte Männer steigen aus. Ich hebe meinen Rucksack auf den Rücken, blicke mich kurz um, dann steige ich ein, suche mir einen einsamen Platz.
Der Zug zieht an, gewinnt an Geschwindigkeit. Fährt an Mietshäusern vorbei, ein paar Villen, dann vereinzeln
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