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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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fuhr Alban in der Dunkelheit die Strecke in umgekehrter Richtung ab – immer weiter aufwärts.
    »Wo sind wir neulich rausgekommen?«, fragte er.
    »Ziemlich weit oben, glaube ich. Da war doch auf der gegenüberliegenden Seite ein Friedhof.«
    »Hier ist es schon«, rief Alban und bremste. Auf der linken Seite lag ein kleiner Parkplatz. Auf seiner Rückseite gähnte der Hohlweg, durch den sie herausgekommen waren. Er war für Autos befahrbar, aber Alban entschied, den Wagen hier unten zu lassen.
    Sie stiegen aus. Kein Mensch war zu sehen. Unkelbach schlief.
    Simone blieb vor der schwarzen Einmündung stehen. »Haben wir eine Taschenlampe?«, fragte sie.
    Mist, dachte Alban. Daran hätte ich denken müssen.
    »Ich fürchte, nein. Aber wir wollen ja ohnehin nicht gesehen werden.«
    Es ging ein Stück bergauf. In der Dunkelheit war es nicht zu sehen, aber Alban wusste, dass sich links und rechts Abzweigungen zu Schrebergärten befanden. Als sie die Höhe erreichten, hatten sich Albans Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Die Wiesen links und rechts waren graue Flächen, und der Wald, dem sie langsam zustrebten, hob sich deutlich vom nächtlichen Himmel ab.
    Hinter einer Abzweigung verwandelte sich der asphaltierte Weg in eine Schotterpiste, und als sie am Waldrand ankamen, war es, als würden sie in einen Tunnel eintauchen. Doch auch jetzt sah Alban immer besser, je weiter sie gingen. Das Sträßchen war hell, und das Gebüsch links und rechts wies eine ganze Palette von Grauschattierungen auf.
    Ob Dagmar Dennekamp auch hier entlanggewandert war?
    Bestimmt, dachte Alban. Es musste so gewesen sein. Der Weg, den wir neulich gegangen sind, war ja wohl ihre große Wanderung.
    Irgendwo in der Dunkelheit krachte etwas, und ein Tier gab ein aufgeregtes krächzendes Geräusch von sich. Dann war wieder alles ruhig, und Alban fiel wieder auf, dass in dieser Totenstille selbst die Geräusche aus dem Rheintal, dieser ewige Klangdunst aus Autoverkehr und donnernden Zügen, versank.
    Wir müssten gleich bei dem Tor sein, dachte Alban. Noch eine Kurve vielleicht …
    Simone blieb stehen.
    »Schau mal da«, flüsterte sie.
    Alban drehte sich ein wenig, und da sah er es auch. Zwischen den Bäumen, dort, wo nach einer weiteren Serpentine das Anwesen liegen musste, schwebte ein Licht. Der gelbliche Kegel bewegte sich. Jemand lief mit einer Lampe herum. Vorsichtig schlichen sie an den Rand des Weges. Der Blick zum Vorplatz vor dem Anwesen war frei.
    Das Licht tastete an der Mauer entlang, wo der kleine Pfad verschwand, und traf dann das eiserne Tor.
    »Es ist offen«, flüsterte Simone.
    Die Gestalt mit der Lampe drehte sich um, als hätte sie Simone gehört. Sie duckten sich, als der Lichtstrahl in ihre Richtung zeigte.
    Sie hörten eine tiefe fluchende Stimme. Alban war sicher, dass es italienische Worte waren, die der Mann von sich gab.
    »Bernardi«, flüsterte er.
    »Was macht der denn da?«, hauchte Simone.
    Sie beobachteten, wie der Dottore mit der Lampe auf seine Armbanduhr sah, noch einmal einen Fluch ausstieß und dann in der Toreinfahrt verschwand. Der Lichtschein schwankte noch ein bisschen, die Schritte wurden immer leiser, und dann war er weg.
    Alban und Simone erhoben sich und betraten den Vorplatz.
    »Meine Theorie scheint zu stimmen«, sagte Alban leise.
    »Und was willst du jetzt machen?«
    »Mit ihm reden.«
    »Sollen wir nicht lieber noch mal Herrn Kessler anrufen und ihm alles erklären? Ich hab mein Handy dabei. Vielleicht …«
    »Still«, zischte Alban.
    Ein Geräusch näherte sich. Das dumpfe Rumoren eines Motors. Reifen knirschten auf Kies. Aus dem Areal hinter der Mauer kam ein Wagen angefahren.
    Alban zog Simone durch das Tor. Vor der Mauer wuchsen große Büsche. Ohne zu zögern sprang Alban mitten hinein. Keine Sekunde zu früh. Autoscheinwerfer kamen um die Ecke. Ein großer dunkler Wagen rollte vorbei. Das Motorengeräusch verlor sich in der Ferne.
    Alban verließ das Gebüsch, klopfte sich die Kleidung ab und sah sich vorsichtig um. Es raschelte, als Simone das Versteck verließ.
    »Alles dunkel«, sagte er. »Dann können wir uns ja mal umsehen.«
    Unter ihren Sohlen knirschte es in rhythmischem Abstand. Der Wind rauschte in den trockenen Blättern der Bäume, die die Zufahrt auf beiden Seiten säumten. Der Kiesweg beschrieb eine lang gestreckte Kurve; dann tauchte das Gebäude auf.
    Es war ein schwarzer Block, der sich vom bewölkten Nachthimmel abhob. Plötzlich ging ein Licht an. Ein Bewegungsmelder.

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