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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Hauptkommissar fest eingeschlafen war.
    Auf der linken Seite reihten sich die Häuschen aneinander. Sie wirkten wie vom Fließband. Alban stieß Kessler leicht in die Seite.
    »Was ist?«
    »Wir sind da. Wo genau ist euer Haus?«
    Kessler dirigierte Alban ein Stück weiter. »Danke fürs Fahren, Nikolaus. Ich hoffe, ich habe dich mit den Fakten überzeugen können. Du kannst davon ausgehen, dass es Zimmermann war. Hundertprozentig.« Er löste den Gurt.
    »Glaubst du, ich könnte ihn in der U-Haft besuchen?«, fragte Alban. »Mich würden noch einige Dinge zu dieser Sache interessieren.« Er wies auf die Partitur, die auf dem Rücksitz lag.
    Kessler schüttelte den Kopf. »Vergiss es.«
    »Kannst du da nicht dran drehen?«
    »Ausgeschlossen. Dein Name steht in der Akte, und wessen Name in der Akte steht, kriegt kein Besuchsrecht. Das ist nun mal so. Und noch was. Was ich dir hier gesagt habe, bleibt unter uns, klar?«
    »Natürlich.«
    Kessler stieg aus. Mit der Aktentasche in der Hand näherte er sich einem der Häuschen, suchte nach seinem Schlüssel, öffnete die Tür und verschwand in seinem Haus.
    Die Garageneinfahrt neben Albans Villa war leer. Simone hatte sicher das Wetter genutzt, um einige ihrer Kunden zu besuchen. Klar und kalt: Das war die beste Wetterlage, um herbstliche Gärten in Ordnung zu bringen.
    Er betrat das Haus, und ein leises »Tipp, tipp, tipp« kam die Stufen herunter. Es war Zerberus, der sich wieder mal irgendwo oben in Albans Gefilden aufgehalten hatte. Der Kater blieb auf den schwarzweißen Fliesen sitzen und sah ihn aufmerksam an.
    »Na, du vermisst wohl das Musikhören?«, sagte Alban.
    Zerberus folgte ihm wieder hinauf. Kaum hatte Alban die Tür zum Arbeitszimmer geöffnet, war er mit zwei Sätzen auf dem Sessel.
    Alban war nicht nach neuen CDs zumute. Auf dem Weg nach Hause hatte er unentwegt darüber nachgedacht, was Kessler ihm erzählt hatte. Es ließ ihm keine Ruhe.
    Sein Blick fiel auf eine CD, die immer auf der Stereoanlage lag. »Lea Rosemann, Klavier« stand auf dem Schwarzweiß-Cover, das eine sehr jung aussehende Frau zeigte.
    Alban sah dieses Foto nicht in Grautönen, sondern für ihn war es farbig. Das lange Haar der Frau war kastanienbraun, das Kleid dunkelblau, und der Stein in dem Ring, den sie trug, war leuchtend rot. Alban hatte ihr den Ring selbst geschenkt. Er verwahrte ihn heute in einem kleinen Kästchen, in dem sich noch andere Hinterlassenschaften Leas befanden.
    Er holte die Silberscheibe heraus, legte sie in den Player und drückte die Starttaste. Sekunden später durchstach ein einzelner Klavierton den Raum, warm und doch entschlossen angeschlagen, und sofort zersplitterte der Klang in eine Wolke aus tausend kleinen Mosaiksteinchen, die in Tausenden von Farben zu glitzern schienen.
    Was war das? Das Flirren und Summen einer geheimnisvoll belebten Natur? Das Wogen eines Getreidefeldes, durch das der Wind strich?
    Die rasenden Akkorde schienen zu tanzen wie die Planeten des Universums in einem gigantischen Zeitraffer, und dann erschien irgendwo in den Tiefen dieses Klangrauschs wie eine raunende Stimme eine Melodie – gesanglich, weich, geheimnisvoll. Wie ein uraltes Lied, dessen Text längst niemand mehr verstand, in einer archaischen Sprache, ein fernes Echo …
    Alban ließ sich nicht auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch nieder, sondern nahm auf dem kleinen Sofa Platz, das an der hinteren Wand stand. Von hier aus hatte er den Schreibtisch und Leas schwarz glänzenden Flügel im Blick.
    Die Einspielung mit romantischer Klaviermusik war die einzige CD, die Lea vor Ausbruch der Leukämie hatte aufnehmen können. Sie hatte der Beginn einer großen Karriere sein sollen. Doch das Schicksal, Gott oder wer auch immer zog einen dicken Strich durch diesen hoffnungsvollen Plan. Genauso wie durch viele andere: Lea war schwanger gewesen, als sie starb. Kurz vor ihrem Tod, als alle wussten, dass das Ende unmittelbar bevorstand, war Alban fünfzig Jahre alt geworden.
    Drei Jahre lang hatte er sich in dieser Villa, die er eigentlich für das gemeinsame Leben mit Lea gekauft hatte, zurückgezogen. Als er eines Tages gezwungen war, wegen plötzlich auftretender Kreislaufprobleme und allgemeiner Erschöpfung Dr. Stollmanns Praxis in der Hensstraße aufzusuchen, verschrieb ihm der Hausarzt nicht einfach nur Medikamente, sondern redete ihm ins Gewissen. Er sollte wieder etwas unternehmen, unter Leute gehen. Leben. Er, der selbst Witwer war, lud Alban ein, ihn hin und

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