Das Gift der Engel
wieder zu besuchen, zum Musikhören oder zum Musizieren.
Später verlegten sie ihre Musikabende dann in Albans Haus, und gleich beim ersten Besuch sprachen sie darüber, dass man dort dieses oder jenes reparieren müsste. Damit hatte Stollmann den Finger in die Wunde gelegt: Als Alban das Haus gekauft hatte, wäre noch so viel zu erledigen gewesen, was durch Leas Krankheit verhindert worden war. Der Garten war ein einziger Wildwuchs, die Mauern rund um neu eingesetzte Fenster warteten immer noch auf den Putz. Drei Zimmer im Erdgeschoss waren untapeziert.
Stollmann bot Hilfe in Form einer kompetenten Handwerkerin an – eine Patientin von ihm, die gerade Arbeit suchte.
»Eine Frau?«, hatte Alban ungläubig gemurmelt und in sein Rotweinglas geblickt. Stollmann hatte sich erlaubt, daran zu erinnern, dass mittlerweile das 21. Jahrhundert angebrochen sei.
So kam Alban an Simone. Eine professionelle Gärtnerin mit Installateurslehre und viel praktischem Sinn für alles, was in einem Haus zu tun war. Sie war damals fünfundzwanzig Jahre alt, auf einem Bauernhof in der Eifel aufgewachsen und hatte gedacht, man könnte sein Leben am besten gestalten, wenn man bei Knauber in der Endenicher Straße arbeitete.
Bald zeigte sich, dass es ihr wesentlich besser gefiel, solche Aufträge anzunehmen, wie Alban sie zu vergeben hatte: in Eigenregie Häuser herrichten. Als Simone aus ihrer Wohnung in Endenich ausziehen musste, weil der Vermieter Eigenbedarf angemeldet hatte, war bei Alban das Erdgeschoss gerade fertig renoviert. Ein neues Bad war eingebaut, ein Schlafzimmer, das eigentlich für Gäste gedacht war. Simone fragte Alban, ob sie dort übernachten könnte, bis sie etwas anderes gefunden hätte. Alban sagte zu. Simone zahlte keine Miete, bekam Geld dafür, dass sie sich um das Haus kümmerte und Albans Hauswirtschaft übernahm. Und sie fand in Godesberg so viele Kunden, die ihre Gärten gepflegt haben wollten, dass sie davon gut leben konnte. Jetzt waren sie schon über ein Jahr eine Wohngemeinschaft.
Alban konzentrierte sich auf die Musik. Wie immer, wenn die CD erklang, sah er Lea vor seinem geistigen Auge, wie sie die Finger weich über die Tasten gleiten ließ. Doch manchmal kam es ihm vor, als löse sich das Bild auf und verschmelze mit den immer deutlicher werdenden Konturen einer Landschaft. Das Wogen der Schumann-Fantasie war für Alban das Musik gewordene Abbild des Rheintales.
Er schrak auf, als es laut an der Tür klopfte.
Alban blieb nachsichtig angesichts der Störung, denn erstens war jetzt gerade nicht seine Schreibzeit, und zweitens konnte Simone nicht wissen, dass er Leas Musik hörte. Sie wusste zwar von der Aufnahme, aber sie war nicht in der Lage, sie zu erkennen. Simone konnte die Werke der klassischen Musik kaum auseinanderhalten.
»Herein«, rief er.
Simone betrat wie meistens nicht gleich den Raum, sondern steckte zunächst nur den Kopf herein.
»Entschuldige, aber ich muss dir was erzählen.« Sie machte ein erschrockenes Gesicht. »Oh, du sitzt ja dort drüben. Soll das heißen …«
Alban winkte ab und stand auf. »Die CD war ohnehin gerade zu Ende.«
Simone kam ins Zimmer. »Ich war heute Morgen unterwegs. Auf dem Rückweg von den Gärten in der Offenbachstraße habe ich im Auto Radio gehört. Es gibt Neuigkeiten in diesem Mordfall.«
Alban drückte den Auswurfknopf und verstaute die CD. »Neuigkeiten?«
»Sie haben jemanden festgenommen. Und ich wusste doch, dass du heute Morgen im Polizeipräsidium warst. Ich dachte schon, du hättest was damit zu tun.«
Alban lächelte. »Solange du nicht glaubst, sie hätten mich verhaftet, ist ja alles in Ordnung.«
»Nein, das habe ich nicht gedacht, aber …«
»Sie haben Herrn Zimmermann verhaftet. Den jungen Mann, der vorgestern Abend hier war. Gerhard ist davon überzeugt, dass er seinen Freund umgebracht hat. Zimmermann hat eine kriminelle Vorgeschichte. – Wenigstens hat er mir die Partitur zurückgegeben.«
»Welche Partitur?«
Alban sah Simone überrascht an. Natürlich, dachte er, davon weiß sie gar nichts. Er berichtete, was Zimmermann mitgebracht hatte, und ließ auch das Gespräch mit Gräber und den Besuch bei Jung nicht aus.
Simone trat an den Schreibtisch, wo die Noten lagen.
»Schau sie dir nur an, wenn du willst«, sagte Alban.
»Darfst du sie denn behalten?«
»Wohl eine Weile. Genau genommen stammt sie aus Herrn Jochs Besitz. Zimmermann hat gesagt, Joch habe ihm die Noten nur zur Aufbewahrung gegeben.«
»Ohne
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