Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)
Herzerwärmend, gewiss. Genau genommen ist es gerade das, was mich zu Euch führt. Ein Mann Eures Formats spendet nicht ohne guten Grund an Suppenküchen. Vielleicht seid Ihr ja ein Einzelfall, dass Ihr Euch ein Gewissen daraus macht. Tatsache jedenfalls ist, ich kann Euch ruinieren. Wir kennen doch alle den unbeständigen Charakter der Nordstädter: in einem Augenblick Freund, im nächsten Feind. Aber ohne sie wärt Ihr verloren. Zahlt mir, was ich fordere, oder tragt die Konsequenzen. Betrachtet es als weitere Spende, wenn Ihr so wollt – was ich verlange, kann nur ein Tropfen im Ozean Eures riesigen Vermögens sein.«
Hector hatte dem Wortwechsel mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen gelauscht. Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Hatte er nicht erst heute die stockbetrunkenen Elendsgestalten gesehen? Konnte sein Vater tatsächlich in so etwas verwickelt sein? Er hatte es selbst zugegeben, doch wenn er sagte, er bedauere es und habe längst nichts mehr damit zu tun, dann glaubte Hector ihm. Die Summe, die Truepin forderte, war beträchtlich, Tropfen im Ozean oder nicht. »Zahl nicht«, bedrängte er seinen Vater lautlos. »Gib einem solchen Halunken kein Geld!«
Der Vater ging in quälender Unentschlossenheit hinter dem Schreibtisch auf und ab. Truepin ließ ihn nicht aus den Augen, sein Gesicht zeigte keine Regung. Endlich drehte sich Augustus um, und als Hector seine Miene sah, wurde ihm das Herz schwer. Er ahnte, wie der Vater entscheiden würde.
»Nun gut, Ihr niederträchtiger Mensch«, sagte Augustus langsam. »Ich werde bezahlen. Aber nur um meines Sohnes und seiner Zukunft willen. Und ich verdopple Eure Forderung sogar – unter der Bedingung, dass Ihr die Stadt verlasst und nie mehr wiederkommt.«
»Verdreifacht sie und das Geschäft ist perfekt.«
Augustus schloss die Augen und nickte. »Ich werde Euch die Summe geben, aber ich verfluche Euch für den Rest Eurer Tage.«
Truepin gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Verflucht mich, wenn Ihr wollt – Worte können mich nicht verletzen. Hauptsache, Ihr gebt mir das Geld.«
»Nein!«, flüsterte Hector viel lauter als beabsichtigt.
Truepin fuhr herum. »Ist da draußen jemand?«
Augustus öffnete die Tür, aber Hector war schon verschwunden.
Kapitel 5
Aus dem
Nordstadt-Journal
Eine anspruchsvolle Tageszeitung
für den kritischen Leser
Nicht der Richtige
Von Tarquin Faulkner
Der Name Fitzbaudly und der Hinweis ›Erlesene Weine, aus seltenen Lagen‹ sind im Lauf der Jahre austauschbar geworden. Die Menschen nördlich des Foedus wissen, dass das eine nicht ohne das andere denkbar ist. Fitzbaudly ist ein Name, dem man vertraut und auf den Verlass ist, ein Fitzbaudly-Wein garantiert, dass er genau so ist wie auf dem Etikett bezeichnet: kräftig, ehrlich und von höchster Qualität.
Leider trifft das nicht mehr zu.
Augustus Fitzbaudly ist – anders als seine Weine – nicht das, was er von sich behauptet. Ein besorgter Leser hat mich darauf hingewiesen, dass Augustus Fitzbaudly trotz seiner seriösen Aura ein Betrüger ist. Sein Geld, inzwischen gewiss ein beträchtliches Vermögen, rührt nicht nur aus dem Verkauf hochwertiger Weine, sondern aus billigem gepanschtem Branntwein, den er literweise in seinen zahllosen Schnapsläden jenseits des Flusses verkauft. Wir auf der Nordseite sind uns sehr bewusst, wie äußerst schädlich die Abhängigkeit vom Gin ist und wie sie jedermann in die Selbstzerstörung treibt. Wer von uns hat nicht schon die betrunkenen, unglücklichen Herumtreiber gesehen, die halb tot auf den Straßen jenseits des Flusses liegen? Wir schätzen uns glücklich, dass sie es vorziehen, dort bei ihresgleichen zu leben, und finden ihre aussichtslose Lage zum Verzweifeln. Doch nun wisst Ihr, wo die Schuld zu suchen ist. Direkt bei Augustus Fitzbaudly.
Ich fordere Euch auf, jeden Einzelnen von Euch, Fitzbaudlys erlesenen Weinen die weitere Unterstützung zu entziehen. Ordert nicht mehr seine Merlots und Mataros, seine Lambruscos und Chardonnays, seine Yellow Monks und seine Black Turrets. Das ist das Mindeste, wie wir denen, die weniger Glück haben als wir, helfen können. Fitzbaudly verdient unser Vertrauen nicht mehr. Wir sind betrogen worden, und es ist nur natürlich, wenn wir empört sind. Gewiss gibt es andere seriöse Weinhändler, bei denen Ihr Euren Bedarf decken könnt. Aufrichtig empfehlen kann ich Faulkner in der Vine Street (keine Verwandtschaft).
Kapitel 6
Brief an
Weitere Kostenlose Bücher