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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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Finger. »Du hast gehört, was deine Herrin gesagt hat – also troll dich! Öberlass ons bessere Herrschaften non onserer kolinarischen Konversation!«
    Gerulphus verzog keine Miene, während er den Baron ansah. Dann verbeugte er sich, tippte Hector auf die Schulter und verließ den Raum. Hector folgte ihm höchst erleichtert.

Kapitel 16

    Brief an Polly
    Withypitts Hall
    Liebe Polly,
    nun bin ich fast zehn Tage in Withypitts Hall und kenne mich schon viel besser aus. Nach meiner ersten Begegnung mit Lady Mandible (und
ihm
, der nicht genannt werden soll) führte mich Gerulphus wieder durch die Eingangshalle. Diesmal hatte ich meine fünf Sinne beisammen und sah, dass die Wände mit Jagdtrophäen früherer Generationen geschmückt waren: Hirsche, Bären, Pumas und Dutzende von Geweihen unterschiedlichster Größen, sogar ein Jocastar – ein Tier mit großen Augen und feinen Gesichtszügen und derart selten und ungewöhnlich, dass ich es hier unter den anderen Tieren völlig fehl am Platze fand. Doch übertroffen wurden alle von einem riesengroßen, wild aussehenden Kopf – dem eines Borstenrückenschweins natürlich –, dem Glanzstück und Mittelpunkt der Ausstellung. Es war von dem alten Lord Mandible erlegt worden. Auch sein Sohn geht fast täglich auf die Jagd nach diesem Schwein, doch mit weniger Erfolg. Den Kopf dieses Tieres, von dem Oscar in Pagus Parvus sprach, habe ich übrigens noch nicht gesehen, auch nicht den Stuhl, und ich kann nicht sagen, dass ich darunter leide. Es würde mich nicht wundern, wenn der Schurke beides in seinen Privatgemächern hat – das würde ganz zu seinem verqueren Charakter passen.
    Gerulphus führte mich in den abgelegensten Teil des Hauses, ich vermutete, es war der Westflügel. In einem der Türme stiegen wir eine steile Wendeltreppe hinauf, und mir schien, als habe sich hier jahrelang niemand hinaufgewagt. Spinnweben, dick wie Spitzentischtücher, verhedderten sich in meinem Haar, und Fledermäuse flogen mir um den Kopf. Es stank so sehr, dass ich würgen musste. Was den Raum in der Turmspitze angeht, mein Zimmer, so ist er geräumig, aber bei meiner Ankunft standen nur ein Bett, ein Stuhl und ein Tisch darin. Im Lauf der Woche kam ich dann zu dem Luxus eines Nachttopfs und eines Wasserkrugs. Aber ich bin zufrieden. Es gibt einen Kamin, und wenn er auch übel qualmt, ich habe es geschafft, darin Feuer zu machen.
    Withypitts Hall ist in mancher Hinsicht ein sehr schönes Haus. In die Fußböden sind komplizierte Mosaikmuster eingelegt, an den Wänden hängen die verschiedensten Gobelinteppiche und Bilder, überall stehen Statuen und Schnitzereien und alles glänzt und glitzert wie Gold. Aber je länger ich hier bin, desto mehr spüre ich auf Schritt und Tritt Lady Mandibles allgegenwärtige Hand, und irgendwie verdirbt mir das die ganze Schönheit. Ihr Sinn für Luxus hört bei den Unterkünften der Dienstboten auf, aber da sie auch ihren Hang zu abstrusen Dingen nicht bis dorthin ausdehnt, kann ich nur dankbar sein. Und genau wegen dieser eigenartigen Vorlieben haben mich die Einwohner von Pagus Parvus vor ihr gewarnt.
    Withypitts Hall ist also wirklich kein Ort, an dem einem warm ums Herz werden kann. Nimm zum Beispiel die Decke im großen Speisesaal (in dem das Fest stattfinden soll). Sie ist mit nebelhaften Szenen aus dem Himmelreich bemalt, aber bei näherem Hinsehen erkennt man, dass hinter den Engeln freche kleine Kobolde grinsen und dabei die unflätigsten Posen einnehmen. Auf Sockeln längs der Gänge stehen ausgestopfte Tiere in erstarrten Haltungen. Füchse, Wiesel, Eichhörnchen, jedes Tier des Waldes ist vertreten. Aber diese Tierausstellung ist längst nicht das Schlimmste. Es gibt hier überall Stücke, die eher in eine Raritätenschau passen würden. Lady Mandible scheint sich nämlich mehr für das Absonderliche zu begeistern: Knochen von Heiligen, Totenmasken und Folterinstrumente. In dunkleren Nischen bewahrt sie missgebildete Exemplare ungeborener Tiere auf – in Glasbehältern, erstarrt in Flüssigkeit. Sie behauptet, sie habe ein wissenschaftliches Interesse daran. Besonders unheimlich sind diese Dinge, wenn man nachts daran vorbeimuss. Und damit komme ich zum eigentlichen Zweck meines Briefes.
    Am Morgen nach meiner Ankunft in Withypitts Hall brachte mich Gerulphus zu einem kleinen, nach Norden gelegenen Raum im dritten Stock, wo ich die Schmetterlinge züchten soll. Ich nenne ihn Zuchtraum oder
Incunabulorum
, er ist dunkel und sehr kühl,

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