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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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stürmte mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu, da schwang er in wilder Panik seine Muskete und feuerte noch einmal. Es gab einen ungewöhnlich lauten Knall, und zu jedermanns Überraschung – insbesondere zu Mandibles Überraschung – blieb das Schwein wie angewurzelt mitten im Lauf stehen und fiel um.
    Stille.
    »Gut gemacht, Euer Lordship!«, gratulierte endlich sein Erster Jäger mit ungläubig aufgerissenen Augen. Die anderen aus der Gruppe brachen in herzliche Beifallsrufe aus. Mandible selbst war sprachlos, wie unter Schock. Mithilfe einiger Männer rappelte er sich auf und blieb verblüfft neben dem Schwein stehen.
    »Ich habe es geschafft!«, flüsterte er. »Ich habe es endlich geschafft!«
    Aufrichtig bewegt kniete er neben dem gefallenen Schwein nieder. Er streckte die Hand aus und legte sie auf den stillen, warmen Körper, und eine Träne (oder zwei) lief ihm über das Gesicht.
    »Es ist ein Wunder«, sagte er leise. »Ein Wunder. Ich habe den größten Keiler der Provinz erlegt! Ich bin ein ganz erstklassiger Jäger.«
    Für einen Augenblick konnte er fast den tiefen Kummer über den Verlust seiner geliebten Katze vergessen. Und sämtliche Männer der Jagdgesellschaft klatschten und jubelten in der Vorfreude auf eine frühe Heimkehr – wenn sich auch manch einer wünschte, er könnte auch einmal den größten Keiler der Provinz zur Strecke bringen.
    Das also war es, was Mrs Malherbe und ihre Küchenmannschaft erblickten, als sie aus dem Fenster schauten: die Heimkehr von Lord Mandible mit seiner Beute. Mandible ritt im Trab an der Spitze der Prozession – denn eine Prozession war es tatsächlich. Bei dieser Gangart gelang es ihm sogar, sich mit den Knien an den Seiten des Pferdes abzustützen, die Zügel in einer Hand zu halten und die andere triumphierend zu erheben. Hinter ihm kam der Eber, der mit den Läufen um einen dicken Ast gebunden war und von vier Männern getragen wurde, zwei vorn, zwei hinten. Speichel, Blut und sonstige Körperflüssigkeiten, die noch immer von ihm herabtropften, hinterließen eine feucht glänzende Spur im Hof. Die Nachhut des Zuges bildeten, lachend und scherzend, die übrigen Mitglieder der Jagdgesellschaft.
    »Nein, nein, nein!«, murmelte Mrs Malherbe. »Nie hätte ich geglaubt, dass ich den Tag erlebe, an dem dieser Mann einen Borstenrücken erwischt.« Und sogleich stieg Mandible in ihrer Achtung.
    Noch jemand sah Mandibles triumphale Heimkehr. Von seinem Turm aus beobachtete Bovrik die Prozession mit scharfem Auge. Hat er also endlich ein Schwein geschossen, dachte er. Es war schon lange her, dass Bovrik ein ganzes Borstenrückenschwein aus solcher Nähe gesehen hatte …
    Er erhob sich aus dem Sessel am Fenster. Im Spiegel betrachtete er prüfend seine Schuhe und setzte dabei einen Fuß vor den anderen, eine Haltung, die seine wohlgeformten, seidenbestrumpften Waden am besten zur Geltung brachte. Er strich über den Samt seiner cremefarbenen Kniehose und zog seinen weit geschnittenen, magentafarbenen Mantel an. Perfekt – er sah wirklich wie ein Baron aus. Zuletzt das i-Tüpfelchen, ein Spritzer von seinem Zitrusparfüm.
    Bovrik lächelte und klappte das Kästchen mit seinen Glasaugen auf. Er nahm eins heraus und hielt es zwischen Zeigefinger und Daumen ins Licht.
    Das siebte Auge.
    Gefertigt aus weißem Milchglas, in der Mitte hohl, um das Gewicht zu verringern, und oben und unten leicht abgeflacht, um eine gute Passform zu gewährleisten – es schien den übrigen durchaus ähnlich. Es war jedoch eindeutig besser. Tiefblaue Saphire umringten die goldene Iris und die Pupille war mit winzigen, im Licht glitzernden Diamanten besetzt. Das Auge war berückend schön, das teuerste und letzte seiner Sammlung – er besaß jetzt für jeden Tag der Woche ein anderes Auge und würde sich nie mehr mit einer Augenklappe behelfen müssen! Lady Mandible würde beeindruckt sein. Und anknüpfend an den Erfolg mit diesem Katzenfresser, ließ sich nur Gutes für die Zukunft ahnen. Das Fest konnte beginnen! Dann, nachdem er sich seines Aussehens vergewissert hatte, zupfte er sein gerüschtes Halstuch zurecht, schüttelte den Spitzenbesatz der Ärmelumschläge, nahm seinen Umhang und trat noch einmal an das kleine Turmfenster. Doch seine Freude wurde jäh getrübt. Irgendwo im Haus waren schon wieder die misstönenden Cembaloklänge zu hören.
    »Hat dieser Narr nichts Besseres zu tun?«, murmelte er. Mein Gott, wäre er froh, wenn er dieses Geklimper nicht mehr

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