Das Gift des Boesen
lasse ihn ziehen und bin froh, als er fort ist. Die schief in den Angeln hängende Tür und der Kelch in Landrus starrer Hand sind der einzige Beweis, daß ich nicht nur geträumt habe.
Der Morgen graut schon, als Philippe zurückkehrt. Das Mädchen, das er bei sich hat, heißt Clio.
Sie wirkt verwirrt, als sie den Raum betritt und mich sieht. Philippe hat ihr gewiß nicht den wahren Grund genannt, warum er sie herführte. Sie sieht aus wie die Flittchen, die zuhauf an den Hafenkais herumlungern. Ihre Oberweite ist gewaltig, die Bluse bis zum Nabel aufgeknöpft.
»Merde!« flucht sie jetzt und fährt die Krallen aus. »Ich mach's nicht mit Weibsbildern - und zusehen laß ich mir auch nicht dabei!«
»Das verlangt auch niemand«, ergreife ich das Wort.
»Nein?« Unsicher lugt sie zu mir herüber. »Aber warum hat er mich dann hierher abgeschleppt?«
»Damit du helfen kannst.«
»Helfen? Wem? Und wobei?«
Ich zeige auf Landru, der daliegt wie aufgebahrt. Anfangs hatte sie nur Augen für mich, aber das ändert sich nun. »Der Alte? Seid ihr . pervers?«
»So solltest du nicht reden. Er könnte es hören.«
»Scheiße, na und?« Sie schlägt nach Philippe und will sich von ihm abwenden, aber seine Hand schnellt vor und schließt sich wie eine stählerne Klammer um ihren Arm.
Sie ist nicht hübsch. Die Schminke kaschiert so manchen Makel. Aber darauf kommt es nicht an. »Bring sie her!«
Sie droht: »Ich schreie das Haus zusammen, wenn ihr mich nicht auf der Stelle gehen laßt!« Ich nicke Philippe zu. Er läßt sie los ...
... um sofort neu zuzupacken. Der Klang, der durch das Zimmer peitscht, erinnert an das Brechen eines morschen Astes.
Philippe fängt sein Mitbringsel auf. Clios Kopf baumelt haltlos hin und her. Gemeinsam heben wir sie zu Landru aufs Bett. Bald rinnt ihr Blut warm in jenen Mundspalt, in den schon der heimtückische Quacksalber sein Gift hineinbugsieren wollte ...
*
»Unternimm etwas!«
Der Bluttrunk löst Landrus Zunge. Seine Augen lodern in jenseitigem Feuer. Auf mein Geheiß hin entfernt Philippe die tote Hafendirne. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein soll. Ich sehne mich nach der Berührung der Hände, die immer noch reglos neben den Hüften meines Geliebten liegen. Eine umschmiegt den Lilienkelch, aber sie hält ihn nicht, und der Kelch selbst gibt sich damit zufrieden, in die Hand zurückgekehrt zu sein. Er unternimmt nichts, um Landrus Heimsuchung zu beenden - zumindest nichts Erkennbares. Ist er wirklich so machtlos?
Ich küsse Landru auf den Mund, der von Clios Blut benetzt ist. Haut und Haar meines Geliebten sind ebenfalls damit verschmiert, ganz zu schweigen von der Bettstatt.
»Was soll ich unternehmen?« frage ich. »Was geht mit dir vor? Warum hast du nicht verhindert, daß der Hauptmann den -«
»Ich konnte nicht«, gurgelt es aus seiner Kehle, und es hört sich an, als befände sich immer noch Blut in seinem Hals, das nicht weichen will. »Ich sehe und höre, aber mir ist, als stecke ich . in einem unbeweglichen Panzer! Und diese ... Hitze! Dieses Fieber!«
»Ich wünschte, ich könnte dir helfen.«
»Du hast . mir geholfen. Das Blut hat ein paar der . Brände gelöscht. Wie lange, weiß ich nicht.«
»Aber du kannst immer noch nicht aufstehen?«
»Aufstehen?« Sein Lachen hört sich an wie heiseres, kraftloses Husten. »Nein ...«
»Was kann ich für dich tun?«
Sein Gesicht ist nicht einfach nur bleich, nein, kalkweiß ist es, trotz der Hitze, die ihn quält und martert und die ihm doch etwas Rot auf die Wangen treiben müßte .
»Du mußt . suchen!«
»Suchen wonach?«
Landru schweigt. Seine Lippen sind zwei dünne Striche, kaum dunkler als der Rest seiner Physiognomie. Ich höre, wie Philippe hinter mir rumort. Er verfrachtet Clio dorthin, wo schon ein anderer liegt: Pairal. Dann kehrt er mit schlurfendem Gang zurück, stellt sich ans Fußende des Bettes und wartet auf neue Befehle. Ich beachte ihn kaum.
»Wenn das, was dir so ungeheuerlich zusetzt«, sage ich, »seine Ursache hier in Perpignan hat, wird Philippe hinuntergehen und die Pferde anschirren - dann werden wir unverzüglich der Stadt den Rücken kehren! Aber .« Ich zögere. Doch Landrus Feuerblick drängt mich, auszusprechen, was mich quält. »Aber das alles kommt so unerwartet . Ich weiß, es hört sich schwärmerisch an, aber ich habe immer geglaubt, du seist .«
»Unbesiegbar?«
Ich nicke.
Er lächelt. »Seltsam, das habe ich auch geglaubt. Jedenfalls gehofft. Daß mich etwas .
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