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Das Gift des Boesen

Das Gift des Boesen

Titel: Das Gift des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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vor dem silbrigen Gift des Mondes geben würde.
    In Marseille lernte ich eine andere Sorte Bestie kennen, die ihre dunklen Begierden an ihren Mitmenschen stillt ... Obwohl: Vampire sind keine Menschen - nicht mehr. Sie haben ihre Menschlichkeit beim Ritual der Taufe abgestreift. Seele und Gewissen sind im Bodensatz des Lilienkelchs verschollen gegangen. Unwiederbringlich. Vampire mögen eine noch vagere Erinnerung an ihr Kind- und Menschsein vor der Taufzeremonie haben als Werwölfe. Wenn überhaupt.
    Nicht einmal Landru scheint zu wissen, wieviel vom Menschen übrigbleibt, wenn er die »Gnade des ersten Todes« empfangen hat -so bezeichnen die Vampire der Alten Rasse diesen Akt.
    Es interessiert ihn, glaube ich, auch nicht.
    Die Nacht ist fast zu warm für diese Jahreszeit. Wir schreiben den 1. Oktober, und in weiten Teilen der Alten Welt herrscht die Not, herrscht das Sterben. Aber Geschützdonner und Kampfgeschrei sind noch nicht bis in diese Region vorgedrungen. Ich frage mich, wie lange der Friede noch anhalten, wann die Kriegsfurie auch die Pyrenäenstädte und ihre Bewohner überrollen wird .
    Philippe hat mir den Weg zum Friedhof, von dem das vorerst letz-te Kind geholt wurde, genau beschrieben.
    Mich friert trotz der lauen Nacht und obwohl ich jede Facette des Bösen längst zu kennen glaube. Ich selbst habe mein Leben in den Nischen eingerichtet, die zwischen Schwarz und Weiß, Gut und Schlecht existieren. In den Augen von Menschen, die um meine Taten wüßten, wäre ich ein Monstrum. Aber diese Menschen haben nicht gesehen, was ich sah - und nicht durchmachen müssen, was mich über die Jahrzehnte prägte. Ich betrachte mich keineswegs als Ungeheuer - auch Landru entspricht nicht dem, was landläufige Meinung ein Monstrum schimpft. Wir beide - ein jeder auf seine Art - sind einfach anders, und ich halte es nicht für legitim, die Moralmaßstäbe gewöhnlicher Sterblicher auf uns anzuwenden. Auf den Kelchhüter noch weniger als auf mich.
    Wir stehen beide außerhalb der Gesellschaft, aber nicht einmal Landru verachtet, was Menschenverstand ersonnen und geleistet hat. Er hat manches Genie kommen und gehen sehen, und anfangs, wenn er bei den Erzählungen über sie ins Schwärmen geriet und ihr allzu frühes Ableben bedauerte, habe ich nicht begreifen können, warum er ihnen nicht eine ähnliche Gnade gewährte wie mir. Auch sie hätten doch durch die Magie des Kelchs länger leben können, als die Natur es ihnen zugestehen wollte, und dann hätten sie das Gesicht der Welt noch stärker formen, den Fortschritt noch vehementer antreiben können.
    Dazu ist es nie gekommen.
    Inzwischen ahne ich jedoch, warum - und auch warum Landru mir die Erklärung vorenthält: Vermutlich will er mich nicht verletzen, indem er mir entgegenhielte, daß die Unsterblichkeit von Genies sehr viel problematischer wäre als die eines eher schlichten Geistes, zu denen ich mich fraglos zählen muß!
    Ob dies jedoch der wahrhaftige Beweggrund ist, weiß ich bis heute nicht, und vielleicht werde ich noch bis ans Ende meiner Tage darüber rätseln, warum nur ich - als einziges von allen Kelchkindern -nicht erst den Preis des Sterbens entrichten mußte, um das ewige Le-ben zu erlangen ...
    Ich drücke mich in einen Hauseingang, als ein Trupp Soldaten in einiger Entfernung aus einer Querstraße marschiert und in die nächste einbiegt. Die Wachsamkeit und die Kontrollen wurden in der ganzen Stadt verschärft. Nicht nur des Nachts, auch bei Tag patrouillieren die gestiefelten Landsknechte durch die herausgeputzte Handelsstadt.
    Ich warte, bis die Entdeckungsgefahr vorüber ist. Dann trete ich aus der Nische hervor und hebe den Kopf.
    Der Mond hängt schwer wie ein Gebirge über den Dächern. Unentwegt treiben dünne Wolkenschleier daran vorbei, als würden sie ihn polieren.
    Ich spüre, wie er mich ruft. Wie er mich findet.
    Keine noch so dicke Mauer, keine denkbare Barriere könnte verhindern, daß er mich aufspürt und weckt, was in mir schlummert. Aber diese Nacht unterscheidet sich von den hellen Mondnächten, in denen ich mich sonst auf die Jagd begebe.
    Diese Jagd ist meinem Geliebten gewidmet. Ich will versuchen, die in mir erwachenden Kräfte zu nutzen, um dem üblen Einfluß auf die Schliche zu kommen, der ihm auf nie erlebte Weise zusetzt!
    An einer schwer einsehbaren Stelle, inmitten eines kleinen Kräutergartens, knie ich auf dem Boden nieder und reiße die Arme zum Himmel. Meine Augen sind weit offen, und fahles Licht sickert wie

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