Das Gift des Boesen
meine Geste. Er fällt dem Arzt in den Arm und hindert ihn daran, die farblose, zähe Flüssigkeit in Landrus Mund rinnen zu lassen.
Der Gesandte des Hauptmanns protestiert lautstark, aber sein Pro-test wird bald von einem schmerzvollen Stöhnen erstickt. Philippe hat ihm den Arm ausgekugelt - ich vermag nicht zu entscheiden, ob versehentlich.
»Ruft diesen Verrückten zurück!« jammert der Arzt.
Ich trete hinzu und winde ihm das Fläschchen aus der Hand, das er krampfhaft festzuhalten versucht.
Als ich es habe, halte ich es unter die Nase und schnuppere daran. Ich bemerke nichts Auffälliges und frage: »Wieviel davon soll mein Vater einnehmen?«
Offenbar glaubt er, ich wollte es einflößen.
»Alles«, sagt er, immer noch im unerbittlichen Griff Philippes, der ihm an Kraft weiter überlegen ist. »Der Trunk schadet nicht, er kann nur Besserung herbeiführen, Ihr könnt unbesorgt sein .«
Ich nicke. »Dann könnt auch Ihr unbesorgt sein.« Ich befehle Philippe, ihm den Kopf weit in den Nacken zu biegen, so daß es ihm nichts nützt, daß er den Mund geschlossen halten möchte - es gelingt ihm nicht. Er zappelt, bäumt sich auf, tritt nach mir, aber es hilft ihm nichts. Der Inhalt des Fläschchens landet in seiner Kehle, und ein Faustschlag in seinen Magen löst den Reflex aus, der ihn alles auf einmal herunterschlucken läßt, schneller, als er es wieder auszuspucken vermag.
Hustend, Tränen in den Augen, brüllt der Arzt: »Seid Ihr von Sinnen? Warum tut Ihr das? Ich werde -«
»- sterben?«
Finsternis brodelt hinter Augen, die noch schmaler geworden sind. »Laßt mich jetzt gehen - laßt mich! Wenn das Euer Dank für meine Hilfe ist .«
Der Ausdruck auf meinem Gesicht bringt ihn zum Schweigen.
»Stopf ihm einen Knebel ins Maul«, wende ich mich an Philippe, »und binde ihn dort auf den Stuhl! Ich möchte, daß er noch ein wenig bei uns bleibt ...«
In diesem Moment stürzt die mühsam aufrechterhaltene Fassade seiner Selbstbeherrschung restlos in sich zusammen. »Wagt Euch nicht .! Ihr landet alle am Galgen, wenn ihr -«
Ein Hieb gegen seine Schläfe erstickt alles Jammern und Lamentieren, bevor es laut genug anschwillt, um außerhalb dieser Wände auf Gehör zu stoßen.
Der Quacksalber sackt zusammen. Philippe fängt ihn auf, schleift ihn über die Dielen und pflanzt ihn auf den Stuhl. Mit einer Wäscheleine schnürt er ihn zu einem bewegungslosen Bündel, das bald darauf aus seiner Ohnmacht erwacht.
Ich sitze ihm auf einem zweiten Stuhl gegenüber, als er die Augen aufschlägt.
Panik lodert in seinem Blick. Er zerrt an seiner Fessel, rutscht hin und her ... aber er hat keine Chance. Philippe steht hinter ihm und hält ihn an den Schultern fest, sonst würde er samt Stuhl umkippen.
Es dauert fast eine halbe Stunde, bis ich den Beweis für meinen Verdacht erhalte. Bis dem Quacksalber der Schweiß in dicken Perlen auf dem Gesicht steht und er mit den Augen zu rollen beginnt. Er würgt, als zöge sich eine Schlinge um seinen Hals zu, und dann geht alles ganz schnell. Der Kopf sinkt zur Seite. Der Gesandte des Hauptmanns wird ganz still .
Tot. Er ist tot.
Auf mein Zeichen bindet Philippe ihn los und verstaut den Leichnam in einem leeren Schrank.
Ich trete zu Landru. In seinen Augen ist weder Dankbarkeit noch sonst ein lesbarer Ausdruck. Ich weiß nicht einmal, ob ihm der Quacksalber etwas hätte anhaben können. Im allgemeinen ist er immun gegen jedes tierische und pflanzliche Gift. Aber in seinem jetzigen Zustand .
Verbittert balle ich die Fäuste. Offenbar wollte Pairal ausschließen, daß mein »Vater« ihm den Kelch noch einmal streitig machen kann. Sicher hätte derselbe Quacksalber, der ihm das Gift verabreichte, auch den »natürlichen« Tod als Folge seiner Krankheit bescheinigt.
Von mir oder Philippe scheint der Hauptmann keinen ernsthaften Widerstand zu fürchten.
»Sag etwas - irgend etwas!« rede ich Landru zu. Die Hitze, die er ausstrahlt, ist ungebrochen. Nur ein dünnes Laken bedeckt ihn. »Bitte!«
Mein Flehen findet kein Gehör.
Ich blicke zum Schrank, hinter dessen Türen ich den Elenden weiß, der an seiner eigenen Hinterlist krepiert ist. Wird sein Anstifter ihn vermissen, gar nach ihm fahnden lassen? Ich hoffe, nicht.
Mit Ungeduld sehne ich den Einbruch der Dunkelheit herbei - die Nacht vor Vollmond. Philippe hat zwei Aufträge von mir erhalten. Er soll den Toten unbemerkt aus dem Zimmer schaffen.
Und das andere ist eine letzte, verzweifelte Idee, wie ich Landru
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