Das gläserne Paradies
besser als keiner, und Strobel konnte sich seiner Kooperation und seines Schweigens ziemlich sicher sein. So gesehen war es ein Wink des Schicksals, daà sich die Sache mit dem Burschen überhaupt ergeben hatte. Daneben bestand allerdings die Gefahr, daà einer wie er nicht glaubhaft genug wirkte â¦
Hätte ihm mehr Zeit zur Verfügung gestanden â oh, er hätte schon gewuÃt, an welchen Ecken und Kanten er feilen müÃte, um der ganzen Angelegenheit mehr Schliff zu geben! Um aus einer Provinzposse ein Schauspiel erster Güte zu machen. Aber so, wie die Dinge lagen, durfte er froh sein, daà sich ihm diese Chance überhaupt eröffnet hatte. Vier auf einen Streich und die Glashütte noch dazu â Friedhelm Strobel schmunzelte zufrieden.
Und es würde funktionieren! Basierte sein Plan nicht auf dem solidesten Gerüst, das Strobel kannte? Die Gier der Menschen. Gier machte unvorsichtig. Und das Schöne daran war, daà jeder Mensch seine eigene Gier besaÃ. Er, Strobel, nahm für sich in Anspruch, ein Meister im Erkennen dieser Gier zu sein. Er wuÃte, wonach der junge David Wagner gierte. Er glaubte zu wissen, wonach Wanda Miles gierte.
Und er wuÃte ganz genau, wonach es ihn selbst gelüstete: Wanda Miles vor sich zu sehen. Auf den Knien. Flehend. Den Rücken gebeugt, die Schultern gekrümmt, den Blick demütig nach unten gerichtet. Gebrochen, für immer. Mit ihr wollte er erleben, was ihm bei Johanna Steinmann versagt geblieben war.
All diese Komponenten beinhaltete sein Plan. Alle Rädchen griffen ineinander. Wie bei einem sorgfältig austarierten Uhrwerk. Allein die Reise nach Berlin, um einen Drucker zu finden, der sich bereit erklärte, seinen Auftrag auszuführen! Billig war solch ein Fachmann nicht, aber dafür lieferte er exquisite Qualität. Er brauchte nur noch eine Vorlage, um loszulegen, aber diese war inzwischen auf dem Weg von Hamburg nach Sonneberg. Sobald Strobel sie in der Hand hielt, würde er sie nach Berlin weiterschicken.
Die Erregung lieà Strobel unruhig werden, er war es leid zu warten, zu sitzen, zu âWenn nur der junge Kerl endlich käme!
Just in dem Moment entdeckte er die hochaufgeschossene Statur von David Wagner im Türrahmen der Wirtschaft.
33. K APITEL
»Und wie laufen Ihre Aktiengeschäfte bisher, mein junger Freund?«
»Meine ⦠äh ⦠ich weià nicht genau, was Sie meinen â¦Â« Woher zum Teufel wuÃte Friedhelm Strobel darüber Bescheid, fragte sich David Wagner verwirrt.
Strobel lächelte. »Jetzt tun Sie nicht so geheimnisvoll! Die Spatzen zwitschern doch überall schon von den Dächern, daà Sie sich für die Lauschaer phantasievoll ins Zeug legen! Ich hätte eigentlich gedacht, daà ich diese Neuigkeiten von Ihnen erfahre, statt dessen hat mir Gerhard Grosse davon erzählt. Dabei â haben wir beide nicht dasselbe Anliegen? Den Lauschaern eine Chance zu geben?«
David zuckte mit den Schultern. Phantasievoll ins Zeug legen? Machte sich Strobel über ihn lustig? Friedhelm Strobel tat ja so, als ob seine neue Beschäftigung das Stadtgespräch sei! Dabei hatte Grosse sicher nur seinem Stammtischnachbarn gegenüber mehr ausgeplaudert, als er sollte! Seltsam, eigentlich hatte David gedacht, daà Grosse Strobel nicht leiden konnte. Oder hatte Grosse dem Mann etwa genau aus dem Grund so viel erzählt?
»Ich weià nicht, was ich Ihnen erzählen soll â der richtig groÃe Coup ist mir leider noch nicht gelungen â¦Â«Bedauernd hob David Wagner seine Hände. Mehr würde der Mann von ihm nicht erfahren. Dabei drängte es ihn doch geradezu danach, von seinen Qualen zu erzählen! Wie gern hätte er sich jemandem mitgeteilt. Einfach einmal die Meinung eines anderen gehört!
Strobel nahm einen Schluck Mokka, und über der erhobenen Tasse trafen sich einen Moment lang ihre Blicke.
»Sie sind ein fähiger junger Mann, die Lauschaer können sich voll und ganz auf Sie verlassen, da bin ich mir sicher!«
David lächelte verlegen, was mit vollem Mund nicht ganz leicht war.
Beim Betreten des Lokals hatte er gerade auf seine drei Kollegen zugehen wollen, als er aus dem Augenwinkel heraus ein Winken wahrnahm und im nächsten Augenblick Friedhelm Strobel erkannte, der mit einer Zeitung an einem der Fenstertische saÃ. David war nichts anderes übriggeblieben, als
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