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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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eins!
    Mittagspause – kein Wunder, daß es auf den Fluren so still war. Der halbe Tag war herum, ohne daß er einen vernünftigen Handstreich erledigt hätte.
    Er schnappte seine Jacke. Raus hier, nichts wie raus!

32. K APITEL
    Unruhig rutschte Strobel auf seinem Stuhl hin und her und versuchte dabei, etwas Luft zwischen seine Schenkel und den Stoff seiner Hose zu bringen.
    Alles klebte!
    Mit einem letzten Rest Nonchalance zog er einSeidentuch aus der Tasche und tupfte seine feuchte Stirn ab. Den Gedanken an sein kühles Eßzimmer, in das dank geschlossener Fensterläden kein einziger Sonnenstrahl dringen konnte, verbot er sich. Den Gedanken an ein Glas gutgekühlten Weißwein ebenfalls. Auch an den hauchdünn aufgeschnittenen kalten Braten, zu dem sein Hausmädchen ihm lediglich frisches Weißbrot und etwas Salat serviert hätte, wollte er nicht denken.
    Du bist nicht der kulinarischen Genüsse wegen hier, ermahnte er sich. Gleichzeitig schob er das Stück Kartoffelkuchen, das die Bedienung gerade erst gebracht hatte, angewidert zur Seite. Soweit es ging, rückte er seinen Tisch an die Wand, um den Sonnenstrahlen, die ungebrochen durch das schmutzige Fenster hereindrängten, zu entgehen. Keine Vorhänge schützten vor der Sonne oder den vorübergehenden Passanten, die Gäste – also auch er – saßen wie auf einem Präsentierteller. Widerlich war das, einfach widerlich!
    Bis auf einen Tisch am Eingang zur Küche waren alle Plätze besetzt, und außer Strobel schien kein anderer Gast etwas am Essen auszusetzen zu haben. Zu seiner Rechten saßen zwei alte Leute, die ohne aufzublicken ihre Gabeln ins Essen gruben. Linkerhand hockten drei junge Burschen, die großspurig taten, aber nur ein Tagesgericht bestellten und um drei Gabeln baten – ein Wunsch, den das Serviermädchen mürrisch erfüllte. Schon beim Eintreten hatte Strobel das Dreiergespann bemerkt und sich einen Tisch in der Nähe gesucht. Doch der, auf den er wartete, war nicht darunter.
    Das Serviermädchen stürzte auf Strobel zu. Ob er noch Nachschlag wolle? Ob es noch ein Nachtisch sein dürfe? Mit einem gequälten Lächeln bestellte er einen extrastarken Mokka. Alles, bloß nicht noch mehr Essen.
    Heute Kartoffelkuchen, gestern Bratkartoffeln, am Tag davor eine Suppe aus Kartoffeln. Andere Zutaten schien sich der Koch des Gasthauses, in dem sich Strobel seit einer Woche jeden Tag um Punkt zwölf Uhr einfand, nicht leisten zu können. Der Gästeraum roch nach Speck, gebratenem Fett und Kartoffeln. Der Geruch war so penetrant, daß er sich in jede Stoffaser setzte. Bevor er wieder zurück ins Geschäft ging, mußte Strobel immer erst in seine Wohnung, um Hemd und Jackett zu wechseln.
    Was für ein Unterschied zu den feinen Restaurants, die er in Berlin besucht hatte! Ausgesuchte Speisen. Unaufdringlicher, aber perfekter Service. Schöne Menschen, wohin das Auge sah. Wohingegen hier …
    Seufzend schlug er die Zeitung auf, die er mitgebracht hatte. Gleichzeitig versuchte er, den Eingang im Blick zu behalten, was ihm von seinem Platz am Fenster aus vorzüglich gelang.
    Von den schlecht zubereiteten Kartoffelgerichten und der übereifrigen Bedienung abgesehen, hatte das Gasthaus zwei unschlagbare Vorteile: Es lag direkt gegenüber dem Bankhaus Grosse, und es war so billig, daß auch kleine Angestellte es sich leisten konnten, mittags hier zu essen.
    So waren zumindest Friedhelm Strobels Überlegungen gewesen, als er direkt nach seiner Rückkehr aus Berlin mit seinem alltäglichen Kartoffelritual begonnen hatte. Drei Tage lang hatte er inzwischen diese Qual umsonst auf sich genommen, denn noch kein einziges Mal hatte sich David Wagner hier blicken lassen. Was bedeutete, daß er auch keine andere Gaststätte in seiner Mittagspause aufsuchte. Konnte es sein, daß er durcharbeitete? Daß Grosse seinen Angestellten keine Pause erlaubte? Oder war es einfach so, daß der Lakai zwischen Aktenmappen und Heftklammern seine mitgebrachten Brote verzehrte?
    Strobel nahm einen Schluck abgestandenes Bier. Der Impuls, die schale Brühe sofort wieder auszuspucken, war so groß, daß er heftig würgte.
    Genug war genug! Er tupfte seinen Mund ab und rückte seine Krawatte zurecht. O ja, er war bereit, für seinen Plan einiges auf sich zu nehmen – sogar schlechtes Essen. Aber wenn er diesmal wieder kein

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