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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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an, nahm einen Schluck. Die Flüssigkeit schmeckte weniger intensiv, als es ihr Geruch versprochen hatte. Wandas Augen brannten auch ohne Tränen.
    Der Buchhändler beobachtete sie. Seine unaufdringliche Freundlichkeit war mehr, als Wanda ertragen konnte.
    Â»Warum haben Sie mich vorhin, auf dem Bahnhof, nicht in Ruhe gelassen?« murmelte sie. »Warum? Ich könnte längst alles hinter mir haben.«
    Sawatzky runzelte die Stirn, und die Freundlichkeit in seinen Augen erlosch. »Versündigen Sie sich nicht ein zweites Mal, Wanda! Sie haben Familie, sind verlobt, haben ein Kind, Maries Kind! Sie hat es Ihnen anvertraut! Und Sie wollen sich davonschleichen wie ein Dieb?«
    Da begann Wanda zu weinen. Heiße Tränen, ausgeschüttet wie verbrauchtes Spülwasser.
    Ein Dieb. Was war sie anderes?
    Â»Anna hatte recht«, schluchzte Wanda. »Sie hatte in allem recht.« Rotz lief ihr aus der Nase, verstopfte die Atemwege, sie konnte kaum mehr schnaufen. Trotzdem vergrub sie ihren Kopf wieder in den Armen.
    Alois Sawatzky schüttelte hilflos den Kopf. »Was soll ich nur mit Ihnen machen … Ich könnte Ihrem Verlobten Bescheid geben! Vielleicht weiß er, was –«
    Bloß nicht! Abrupt hob Wanda den Kopf. Der Gedanke, Richard unter die Augen treten zu müssen, war zu schrecklich, als daß sie sich auch nur einen Moment länger damit beschäftigen wollte. Gleichzeitig sehnte sie sich so sehr nach ihm, daß es weh tat.
    Â»Ich bin eine Versagerin!« schrie sie dem Buchhändler entgegen. »Mit so einer kann Richard nichts anfangen! Und sonst auch niemand. Wenn ich an all die Leute denke, die mir vertraut haben! Hätte ich doch nie meinen Mund aufgemacht! Aber immer muß ich meine dummen Ideen gleich an den Mann bringen. Mich wichtig machen. Dabei bringe ich allen immer nur Unglück!« Allein der Gedanke daran, daß die Leute in Lauscha noch immer hoffnungsvoll auf sie warteten, war zuviel für sie. Ihr Weinen wurde lauter, heftiger. So laut, daß sie Alois Sawatzkys Worte nur stückweise verstand.
    Â»Sie sind einem Betrüger aufgesessen! Das ist furchtbar, ärgerlich, ganz schrecklich. Aber so etwas kann passieren. Das ist das bittere Leben. Deshalb bringt man sich doch noch lange nicht um!«
    Â»Woher wissen Sie –«
    Â»Woher weiß ich das wohl?« entgegnete Sawatzky ungeduldig. »Glauben Sie, Sie sind die einzige, die diesem Tag entgegengefiebert hat? Unser gemeinsamer Freund David Wagner hatte in den letzten Wochen doch kein anderes Thema mehr, bei jedem Besuch hat er mir von diesem Börsengeschäft erzählt! Selbst gestern noch war er hier und hat meine heilige Sonntagsruhe gestört. Und heute werfen Sie sich vor den Zug – mein Gott, Kindchen, da mußte ich doch nur eins und eins zusammenzählen.«
    Â»David …«, murmelte Wanda.
    Â»Ja, David Wagner! Ein feiner Mensch. An den Sie keinen Augenblick lang gedacht haben bei Ihrem Versuch, sich zu Brei zermahlen zu lassen! Auch ihn hätten sie zurückgelassen – mit alldem Ärger, der Wut, der Verzweiflung. Schuldig hätte er sich gefühlt, sein Leben lang. Aber an so etwas denken Sie nicht! Sie hätten es ja dafür längst hinter sich gehabt  …« Sawatzky war für seine Verhältnisse erstaunlich heftig geworden.
    Wanda schrie leise auf. »Wie können Sie so gemein sein! Was bleibt mir denn noch im Leben? Alles, was ich anfange, geht schief! Das war schon immer so. Von wegen, so ist das Leben! Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr …« Sie ließ sich zurück auf die Chaiselongue fallen, zog die Knie an und rollte sich ein.
    Â»Bilden Sie sich doch nicht soviel auf sich ein, Wanda!« fuhr Sawatzky sie erneut an. »Die Glasbläser sind gestandene Mannsbilder. Sie sind es gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Nun, diesmal haben sie ausnahmsweise eine falsche getroffen. Aber doch gewiß nicht, weil die Amerikanerin sie dazu verleitet hat! So groß kann Ihr Einfluß nun wirklich nicht sein …«
    Â»Das glauben Sie«, entgegnete Wanda bitter. Was wußte er von den vielen Treffen, die nötig waren, um die Genossenschaft überhaupt auf die Beine zu stellen? Was wußte er von Karls Zögerlichkeit und Martins Angst und Jockels ständiger Gegenwehr? Von den langwierigen Diskussionen im »Schwarzen Adler«? Nein, Alois Sawatzky wußte gar

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