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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nichts.
    Lange schwiegen sie beide. Irgendwann räusperte sich Sawatzky und begann erneut: »Ich weiß ja nicht, ob es Sie überhaupt interessiert … Ich war auf dem Bahnhof, um einen befreundeten Buchhändler aus Coburg abzuholen.Und vorhin, als Sie geschlafen haben, habe ich meinen Bekannten zu David in die Bank geschickt. Ich wollte wissen, ob meine Vermutung, das Aktiengeschäft betreffend, richtig war. David hat es sich nicht nehmen lassen, sofort hierherzukommen.« Sawatzky schüttelte den Kopf. »Kreidebleich ist er geworden, als er sie hier so liegen sah. Er war völlig aufgelöst, der arme Kerl!«
    Zaghaft hob Wanda den Kopf von ihren Knien. »Wirklich?«
    Der Buchhändler seufzte laut auf. »Jedenfalls … David Wagner meinte, es wäre das beste, wenn Sie sich erst einmal hier von dem Schrecken erholten. Er ist schon auf dem Weg nach Lauscha. Er wird versuchen, den Glasbläsern klar zu machen, was geschehen ist.«
    Â»David ist was ?« Wanda schoß hoch. Die Vorstellung, was David in Lauscha erwarten würde, war schrecklich. Gleichzeitig überflutete sie ein Schwall Erleichterung. Erleichterung darüber, daß nicht sie es sein würde, die den Lauschaern mit der Nachricht gegenübertreten mußte.
    Erneut traten Tränen in ihre Augen. »Das tut er für mich …«
    Â»Ach, Kindchen«, sagte Sawatzky. »Jetzt beruhigen Sie sich doch. So schlimm wird es sicher nicht werden. Wir sind schließlich nicht mehr im alten Rom, wo der Überbringer schlechter Nachrichten auf der Stelle geköpft wurde …«
    Â»Das bleibt noch abzuwarten«, nuschelte Wanda und heulte wieder los.

40. K APITEL
    Mit versteinerter Miene starrte David geradeaus. Er bemerkte nicht die glasklare Luft des frühen Herbstes, spürte nicht die Vergänglichkeit, die darin lag und die Menschen sentimental machte.
    Sein erstes Aktiengeschäft! Sein großer Wurf – ha! Und nun das. Wie hatte das passieren können?
    Unwillkürlich ballten sich Davids Hände zu Fäusten, krallten sich seine kurzgeschnittenen Fingernägel in die Handballen, wo halbmondförmige Rillen zurückblieben.
    Wie hatte das passieren können?
    Ach, wenn die Fahrt doch noch Stunden dauern würde! Er wollte gar nicht daran denken, was ihn in Lauscha erwartete. Wenn es nicht für Wanda wäre … Aber für sie mußte er stark sein. Für sie mußte er sich dieser Prüfung stellen.
    Dabei hatte der Morgen so vielversprechend begonnen. Trotz der Proteste der Sekretärin hatte David darauf bestanden, daß sie einen weiteren Telefonanruf zur Berliner Börse für ihn herstellte – dort wollte er die Aktien verkaufen, wenn er den Zeitpunkt für gekommen hielt. Die Kosten! Darüber würde sie Herrn Grosse informieren müssen, hatte sie mit spitzen Lippen und tadelndem Blick gemeint. Doch David hatte nur mit den Schultern gezuckt.
    Wie gut hatte es sich angefühlt, bei dem Anruf zu erfahren, daß die Aktien der Schlüter-Reederei nochmals leicht gestiegen waren! Die Aktien, die sich im Besitz der Lauschaer befanden, waren inzwischen über 60 000 Goldmark wert – gekostet hatten sie knappe elftausend Mark. Daß es tatsächlich möglich war, so viel Geld in so kurzer Zeit zuverdienen … Selbst für David grenzte dieser Vorgang an ein Wunder. Gleich am Mittag wollte er die Aktien weiterverkaufen – er hatte alles schon für den großen Coup vorbereitet.
    Er hatte es kaum erwarten können, daß Wanda und die Glasbläser endlich kamen. Immer wieder hatte er sich die richtigen Worte zurechtgelegt. Einen solch unglaublichen Gewinn konnte er den Leuten doch nicht einfach nüchtern übermitteln, oder? Eine gewisse Dramatik, um die Spannung und die Freude hernach noch weiter zu erhöhen, war gefragt. Ach, wie schön hatte er sich den Moment ausgemalt, in dem sich das Blatt der Lauschaer für immer zum Guten wenden würde! Dank ihm!
    Als es pünktlich um elf Uhr an seiner Tür klopfte, hatte er sich ein letztes Mal die Krawatte zurechtgerückt. Er hatte Mühe gehabt, seine Enttäuschung darüber zu verbergen, daß Wanda allein gekommen war. Sein großer Auftritt – nur allzu gern hätte er diesen vor größerem Publikum genossen.
    Doch schon im nächsten Moment war jeder Gedanke an große Auftritte verschwunden gewesen. Statt

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