Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
nicht in deinen Kopf hinein. Man wird dir zwei Leute schicken, die dir einhelfen sollen; der eine davon, der Yogamann Alexander, ist von mir instruiert, höre gut auf ihn, er versteht seine Sache. Was du brauchst, ist ein felsenfestes Vertrauen darauf, daß die Oberen recht daran taten, dich zu den Ihren zu holen; vertraue auf sie, vertraue auf die Leute, die man dir zur Hilfe schickt, vertraue blind auf deine eigene Kraft. Der Elite aber schenke ein fröhliches, immer waches Mißtrauen, sie erwartet nichts andres. Du wirst gewinnen, Josef, ich weiß es.«
Die meisten magistralen Amtsfunktionen waren für den neuen Magister wohlbekannte und vertraute Tätigkeiten, denen er in dienender oder assistierender Eigenschaft schon sich gewidmet hatte; die wichtigsten waren die Spielkurse, von den Schüler- und Anfänger-, den Ferien- und Gastkursen bis zu den Übungen, Vorlesungen und Seminaren für die Elite. Diesen Tätigkeiten, mit Ausnahme der letzten, konnte jeder neu ernannte Magister sich ohne weiteres gewachsen wissen, während ihm jene neuen Funktionen, welche zu üben er niemals Gelegenheit gehabt hatte, weit mehr Sorge und Mühe machen mußten. Auch Josef ging es so. Am liebsten hätte er vorerst sich mit ungeteiltem Eifer eben diesen neuen Pflich
ten zugewandt, den eigentlich magistralen, der Mitarbeit im obersten Erziehungsrat, der Zusammenarbeit zwischen Magisterrat und Ordensleitung, der Vertretung des Glasperlenspiels und des Vicus Lusorum in der Gesamtbehörde. Er brannte darauf, sich mit diesen neuen Tätigkeiten vertraut zu machen und ihnen den drohenden Aspekt des Unbekannten zu nehmen, am liebsten hätte er sich vorerst einige Wochen beiseite gesetzt und dem genauesten Studium der Verfassung, der Formalitäten, der Sitzungsprotokolle und so weiter hingegeben. Für Auskunft und Belehrung auf diesem Gebiet stand ihm, das wußte er, außer Herrn Dubois der erfahrenste Kenner und Meister der magistralen Formen und Traditionen zur Verfügung, nämlich der Sprecher der Ordensleitung, welcher zwar selbst nicht Magister war, also eigentlich im Range unter den Meistern stand, der aber in allen Sitzungen der Behörde die Regie führte und der traditionellen Ordnung zu ihrem Recht verhalf gleich dem Oberzeremonienmeister eines Fürstenhofes. Wie gern hätte er diesen klugen, erfahrenen, in seiner glänzenden Höflichkeit undurchsichtigen Mann, dessen Hände ihn eben erst feierlich mit dem Ornat bekleidet hatten, um ein Privatissimum gebeten, hätte jener nur seinen Wohnsitz in Waldzell gehabt statt in dem immerhin eine halbe Tagreise entfernten Hirsland! Wie gern hätte er sich für eine Weile nach Monteport geflüchtet und sich
vom Alt-Musikmeister in diese Dinge einführen lassen! Allein daran war nicht zu denken, solche private und studentische Wünsche durfte ein Magister nicht hegen. Vielmehr mußte er sich für die erste Zeit mit intensiver, ausschließlicher Sorgfalt und Hingabe gerade jenen Funktionen widmen, von denen er der Meinung gewesen war, sie würden ihm kaum Mühe machen. Was er während Bertrams Festspiel, wo er einen von der eigenen Gemeinschaft, der Elite, im Stich gelassenen Magister gleichsam im luftleeren Raum hatte kämpfen und ersticken sehen, was er damals geahnt und was die Worte des Alten von Monteport am Tag der Einkleidung bestätigt hatten, das zeigte ihm jetzt jeder Augenblick seines Amtstages und jeder Moment einer Besinnung über seine Lage: er mußte sich vor allem andern der Elite und Repetentenschaft, den obersten Stufen des Studiums, den Seminarübungen und dem ganz persönlichen Umgang mit den Repetenten widmen. Er konnte das Archiv den Archivaren, die Anfängerkurse den vorhandenen Lehrern, die Post den Sekretären überlassen, es würde dabei nicht viel versäumt werden. Die Elite aber durfte er keinen Augenblick sich selbst überlassen, er mußte sich ihr widmen, sich ihr aufdrängen und unentbehrlich machen, sie vom Wert seiner Fähigkeiten, von der Reinheit seines Willens überzeugen, mußte sie erobern, um sie werben, sie gewinnen, sich mit jedem ihrer Kandidaten messen, der dazu
Lust zeigte, und es war kein Mangel an solchen Kandidaten. Dabei kam manches ihm zu Hilfe, was er früher als wenig förderlich angesehen hatte, namentlich seine lange Abwesenheit von Waldzell und der Elite, wo er jetzt beinahe wieder ein Homo novus war. Sogar seine Freundschaft mit Tegularius erwies sich als dienlich. Denn Tegularius, der geistreich-kränkliche Outsider, kam offensichtlich
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