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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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sind schön und ehrwürdig, zumal ein so schönes wie dieses hier. Aber ein Haus selber zu bauen, ist ebenfalls etwas Schönes, und wenn ein strebsamer und ehrgeiziger junger Mann die Wahl hat, ob er sich bequem und ergeben in ein fertiges Nest setzen oder sich ein ganz neues bauen wolle, dann kann man ganz wohl verstehen, daß seine Wahl auch auf das Bauen fallen kann. So wie ich Ihren Vater kenne, und ich habe ihn gekannt, als er noch in Ihrem Alter und ein leidenschaftlicher Draufgänger war, hat übrigens der Verkauf und Verlust des Hauses keinem so weh getan wie ihm selber. Er hatte einen schweren Konflikt mit seinem Vater und seiner Familie, und wie es scheint, war seine Erziehung bei uns in Kastalien nicht ganz die richtige für ihn, wenigstens konnte sie ihn nicht vor einigen leidenschaftlichen Voreiligkeiten behü
ten. Eine von ihnen ist wohl der Verkauf des Hauses gewesen. Er hat damit der Tradition der Familie, dem Vater, der ganzen Vergangenheit und Abhängigkeit ins Gesicht schlagen und Krieg ansagen wollen, wenigstens schiene mir das ganz begreiflich. Aber der Mensch ist wunderlich, und so würde mir auch ein andrer Gedanke gar nicht ganz unwahrscheinlich vorkommen, der Gedanke, daß der Verkäufer des alten Hauses mit diesem Verkauf gar nicht nur der Familie, sondern vor allem sich selber weh tun wollte. Die Familie hatte ihn enttäuscht, sie hatte ihn in unsre Eliteschulen geschickt, ihn dort auf unsre Art erziehen lassen und ihn dann bei seiner Rückkehr mit Aufgaben, Forderungen und Ansprüchen empfangen, denen er nicht gewachsen sein konnte. Aber weiter möchte ich mit der psychologischen Deutung nicht gehen. Jedenfalls zeigt die Geschichte mit diesem Hausverkauf, eine wie starke Macht der Konflikt zwischen Vätern und Söhnen ist, dieser Haß, diese in Haß umgeschlagene Liebe. Bei lebhaften und begabten Naturen bleibt dieser Konflikt selten aus, die Weltgeschichte ist voll von Beispielen. Übrigens könnte ich mir ganz wohl einen späteren jungen Designori denken, der es sich zur Lebensaufgabe setzen würde, das Haus um jeden Preis zurück in den Besitz der Familie zu bringen.«
    »Nun«, rief Tito, »und würden Sie ihm nicht recht geben, wenn er es täte?«
    »Ich möchte mich nicht zu seinem Richter machen, junger Herr. Wenn ein späterer Designori sich der Größe seines Geschlechts und der Verpflichtung besinnt, die ihm damit ins Leben mitgegeben ist, wenn er der Stadt, dem Staat, dem Volk, dem Recht, der Wohlfahrt mit seinen Kräften dient und daran so stark wird, daß er nebenher auch die Rückerwerbung des Hauses fertigbringt, dann ist er ein respektabler Mann, und wir wollen den Hut vor ihm abnehmen. Wenn er aber kein anderes Ziel im Leben kennt als diese Hausgeschichte, dann ist er eben nichts als ein Besessener und Verliebter, ein Mann der Leidenschaft, höchstwahrscheinlich einer, der solche jugendlichen Vaterkonflikte nie in ihrem Sinn erkannt und sie zeitlebens, auch noch als Mann, mit sich herumgeschleppt hat. Wir können ihn verstehen, auch bedauern, aber den Ruhm seines Hauses wird er nicht vermehren. Es ist schön, wenn eine alte Familie an ihrem Hause mit Liebe hängt, aber Verjüngung und neue Größe kommen ihr immer nur davon, daß ihre Söhne größeren Zielen als denen der Familie dienen.«
    Wenn bei diesem Spaziergange Tito dem Gast seines Vaters aufmerksam und ziemlich willig zuhörte, so zeigte er ihm bei anderen Anlässen doch wieder Ablehnung und Trotz, er witterte in dem Mann, auf den seine beiden sonst so uneinigen Eltern so viel zu halten schienen, eine Macht, die seiner eigenen
verwöhnten Ungebundenheit gefährlich werden könnte, und zeigte sich gelegentlich ausgesprochen unartig; freilich folgte darauf jedesmal ein Bedauern und Gutmachenwollen, denn es kränkte sein Selbstgefühl, sich vor der heiteren Höflichkeit, die den Magister wie ein blanker Panzer umgab, eine Blöße gegeben zu haben. Und insgeheim spürte er auch in seinem unerfahrenen und ein wenig verwilderten Herzen, daß dies ein Mann sei, den man vielleicht sehr lieben und verehren könnte.
    Er spürte dies besonders in einer halben Stunde, da er Knecht allein und auf den von Geschäften festgehaltenen Vater wartend angetroffen hatte. Bei seinem Eintritt in das Zimmer sah Tito den Gast mit halbgeschlossenen Augen regungslos in einer statuenhaften Haltung sitzen, Stille und Ruhe ausstrahlend in einer Versenkung, so daß der Knabe unwillkürlich seine Schritte leise machte und auf Zehenspitzen

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