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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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sein, daß Tegularius darauf zunächst mit heftiger Eifersucht reagierte; ja für eine Weile, bis er nämlich Designori vollends gewonnen und richtig eingeordnet hatte, mag dem Magister die schmollende Zurückhaltung des andern
eher willkommen gewesen sein. Auf die Dauer freilich war eine andere Erwägung wichtiger. Wie war sein Wunsch, sich Waldzell und der Magisterwürde sachte zu entziehen, einer Natur wie Tegularius mundgerecht und verdaulich zu machen? Wenn Knecht einmal Waldzell verließ, so ging er diesem Freunde für immer verloren; ihn auf den schmalen und gefährlichen Weg, der vor ihm lag, mitzunehmen, daran war nicht zu denken, selbst wenn jener wider alles Erwarten die Lust und den Wagemut dazu aufbringen sollte. Knecht wartete, überlegte und zögerte sehr lange, ehe er ihn zum Mitwisser seiner Absichten machte. Schließlich tat er es doch, als sein Entschluß zum Aufbruch längst fest geworden war. Es wäre ihm allzusehr gegen die Natur gewesen, den Freund bis zuletzt blind zu lassen und gewissermaßen hinter seinem Rücken Pläne zu betreiben und Schritte vorzubereiten, deren Folgen ja auch jener würde mitzutragen haben. Womöglich wollte er ihn, ebenso wie Plinio, nicht nur zum Mitwisser, sondern zum wirklichen oder doch eingebildeten Mithelfer und Mittäter machen, da Aktivität jede Lage leichter nehmen hilft.
    Knechts Gedanken über einen drohenden Niedergang des kastalischen Wesens waren seinem Freunde natürlich längst bekannt, soweit eben er sie mitzuteilen gewillt und jener sie aufzunehmen bereit war. An sie knüpfte der Magister an, als er entschlossen
war, sich dem andern zu öffnen. Wider sein Erwarten und zu seiner großen Erleichterung nahm Fritz das ihm vertraulich Mitgeteilte nicht tragisch, vielmehr schien ihn die Vorstellung, daß ein Magister seine Würde der Behörde wieder hinwerfe, den Staub Kastaliens von den Füßen schüttle und sich ein Leben nach seinem eigenen Geschmacke wähle, angenehm anzuregen, ja zu belustigen. Als Einzelgänger und Feind aller Normierung war Tegularius stets auf seiten des Einzelnen gegen die Behörde gewesen; die offizielle Macht auf geistreiche Art zu bekämpfen, zu necken, zu überlisten, dazu war er stets zu haben. Damit war Knecht der Weg gewiesen, und aufatmend, mit einem innern Lachen, ging er alsbald auf des Freundes Reaktion ein. Er ließ ihn bei der Auffassung, es handle sich um eine Art von Handstreich gegen die Behörde und den Beamtenzopf, und wies ihm bei diesem Streich die Rolle eines Mitwissers, Mitarbeiters und Mitverschworenen zu. Es sollte ein Gesuch des Magisters an die Behörde ausgearbeitet werden, eine Aufstellung und Erläuterung all der Gründe, welche ihm den Rücktritt von seinem Amt nahelegten, und die Vorbereitung und Ausarbeitung dieses Gesuches sollte hauptsächlich Tegularius' Aufgabe sein. Vor allem sollte er sich Knechts geschichtliche Auffassung vom Entstehen, Großwerden und jetzigen Stand Kastaliens zu eigen machen, sodann historisches Material sammeln und Knechts Wün
sche und Vorschläge daraus belegen. Daß er damit auf ein bisher von ihm abgelehntes und verachtetes Gebiet eingehen mußte, auf die Beschäftigung mit der Historie, schien ihn nicht zu stören, und Knecht beeilte sich, ihm dazu die nötigen Anweisungen zu geben. Und so vertiefte sich denn Tegularius mit dem Eifer und der Zähigkeit, die er für abseitige und einsame Unternehmungen aufzubringen vermochte, in seine neue Aufgabe. Ihm, dem hartnäckigen Individualisten, erwuchs ein merkwürdig grimmiges Vergnügen aus diesen Studien, die ihn in den Stand setzen sollten, den Bonzen und der Hierarchie ihre Mängel und Fragwürdigkeiten nachzuweisen oder doch sie zu reizen.
    An diesem Vergnügen hatte Josef Knecht ebensowenig teil, wie er an einen Erfolg der Bemühungen seines Freundes glaubte. Er war entschlossen, sich aus den Fesseln seiner jetzigen Lage zu lösen und für Aufgaben, die er auf sich warten fühlte, frei zu machen, aber es war ihm klar, daß er weder die Behörde durch Vernunftgründe überwinden noch einen Teil des hier zu Leistenden auf Tegularius abladen könne. Diesen beschäftigt und abgelenkt zu wissen für die Zeit, da er noch in seiner Nähe leben würde, war ihm jedoch sehr willkommen. Nachdem er beim nächsten Zusammenkommen Plinio Designori davon erzählt hatte, fügte er hinzu: »Freund Tegularius ist nun beschäftigt und für das entschädigt, was er
durch deine Wiederkehr meint verloren zu haben. Seine Eifersucht ist schon

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