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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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weiß.«
    Meister Alexander besann sich. »Soll das bedeuten, daß Ihr erwartet, ich werde Euer Verhalten und Eure Pläne jemals billigen?« fragte er dann zögernd.
    »Ach, an Billigen will ich gar nicht denken. Ich hoffe und erwarte, von Euch verstanden zu sein und einen Rest Eurer Achtung zu behalten, wenn ich hier fortgehe. Es ist der einzige Abschied in unsrer Provinz, den ich noch zu nehmen habe. Waldzell und das Spielerdorf habe ich heut für immer verlassen.«
    Wieder schloß Alexander für einige Sekunden die Augen. Die Mitteilungen dieses Unbegreiflichen kamen gar so bestürzend.
    »Für immer?« sagte er. »Ihr denkt also gar nicht mehr auf Euren Posten zurückzukehren? Ich muß sagen, Ihr versteht Euch auf das Überraschen. Eine Frage, wenn es erlaubt ist: betrachtet Ihr Euch nun eigentlich noch als Glasperlenspielmeister oder nicht?«
    Josef Knecht griff nach dem Kästchen, das er mitgebracht hatte.
    »Ich war es bis gestern«, sagte er, »und denke heute davon befreit zu sein, indem ich Euch zu Händen der Behörde die Siegel und Schlüssel zurückgebe. Sie sind intakt, und auch im Spielerdorf werdet Ihr Ordnung vorfinden, wenn Ihr dort nachsehen gehet.«
    Langsam erhob sich nun der Ordensvorstand vom Stuhl, er sah ermüdet und wie plötzlich gealtert aus.
    »Wir wollen Euer Kästchen für heute hier stehenlassen«, sagte er trocken. »Wenn das Entgegennehmen der Siegel zugleich den Vollzug Eurer Amtsentlassung bedeuten soll, so bin ich ohnehin nicht kompetent, es müßte mindestens ein Drittel der Gesamtbehörde dabei zugegen sein. Ihr hattet früher so viel Sinn für die alten Gebräuche und Formen, ich kann mich in diese neue Art nicht so schnell finden. Vielleicht habt Ihr die Freundlichkeit, mir bis morgen Zeit zu lassen, ehe wir weiterreden?«
    »Ich stehe vollkommen zu Eurer Verfügung, Verehrter. Ihr kennt mich und meinen Respekt vor Euch nun schon manche Jahre; glaubt mir, daß sich daran nichts geändert hat. Ihr seid die einzige Person, von der ich Abschied nehme, ehe ich die Provinz verlasse, und dies gilt nicht nur Eurem Amt als Vorstand der Ordensleitung. Wie ich die Siegel und Schlüssel in Eure Hände zurückgelegt habe, so hoffe ich von Euch, Domine, wenn wir uns erst vollends ausge
sprochen haben, auch meines Gelübdes als Mitglied des Ordens entbunden zu werden.«
    Traurig und forschend blickte Alexander ihm in die Augen und unterdrückte einen Seufzer. »Laßt mich jetzt allein, Hochgeschätzter, Ihr habt mir für einen Tag Sorgen genug und Stoff genug zum Nachdenken gebracht. Es mag für heute genug sein. Morgen sprechen wir weiter, kommet etwa eine Stunde vor Mittag wieder hierher.«
    Er verabschiedete den Magister mit einer höflichen Gebärde, und diese Gebärde voll Resignation und voll einer gewollten, nicht mehr einem Kollegen, sondern schon einem ganz Fremden geltenden Höflichkeit tat dem Glasperlenspielmeister weher als alle seine Worte.
    Der Famulus, der eine Weile später Knecht zur Abendmahlzeit abholte, führte ihn an einen Gästetisch und meldete, Meister Alexander habe sich zu einer längeren Übung zurückgezogen und nehme an, daß auch der Herr Magister heute keine Geselligkeit wünsche, ein Gastzimmer stehe für ihn bereit.
    Alexander war durch den Besuch und die Mitteilung des Glasperlenspielmeisters vollkommen überrascht worden. Wohl hatte er, seit er die Antwort der Behörde auf dessen Schreiben redigiert hatte, mit seinem gelegentlichen Erscheinen gerechnet und hatte an die bevorstehende Aussprache mit einer leisen Beunruhigung gedacht. Daß aber der Magister
Knecht mit seinem vorbildlichen Gehorsam, seinen guten, gepflegten Formen, seiner Bescheidenheit und seinem Herzenstakt eines Tages unangemeldet bei ihm vorsprechen, sein Amt eigenmächtig und ohne vorherige Beratung mit der Behörde niederlegen und in dieser bestürzenden Weise allem Brauch und Herkommen ins Gesicht schlagen könnte, das hätte er für vollkommen unmöglich gehalten. Zwar, das war zuzugeben, waren Knechts Auftreten, Ton und Ausdrücke seiner Rede, seine unaufdringliche Höflichkeit dieselben wie immer, aber wie schrecklich und kränkend, wie neu und überraschend, o, und wie vollkommen unkastalisch waren Inhalt und Geist seiner Mitteilungen gewesen! Niemand hätte den Magister Ludi, wenn er ihn sah und hörte, im Verdacht haben können, er sei etwa krank, überarbeitet, gereizt und nicht völlig Herr seiner selbst; es hatten ja auch die genauen Beobachtungen, welche die Behörde noch

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