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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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darauf verzichten, Euch umstimmen und beeinflussen zu wollen. Aber dann sagt mir jetzt das, was zu sagen Ihr hierher gekommen seid, erzählt mir die Geschichte Eures Abfalls, erklärt mir die Taten und Entschlüsse, mit denen Ihr uns erschreckt! Sei es Beichte, sei es Rechtfertigung, sei es Anklage, ich will es anhören.«
    Knecht nickte. »Der Amokläufer bedankt und freut sich. Ich habe keine Anklage vorzutragen. Was ich sagen möchte – wenn es nur nicht so schwer, so unglaublich schwer in Worte zu bringen wäre –, hat für mich den Sinn einer Rechtfertigung, für Euch mag es den einer Beichte haben.«
    Er lehnte sich im Sessel zurück und blickte nach oben, wo an der Wölbung der Decke noch blasse Reste ehemaliger Bemalung geisterten, aus Hirslands Klosterzeiten her, traumhaft dünne Schemen von Linien und Farbtönen, von Blumen und Ornamenten.
    »Der Gedanke, daß man ein Magisteramt auch satt haben und niederlegen könne, kam mir zum ersten Male schon wenige Monate nach meiner Ernennung zum Glasperlenspielmeister. Da saß ich eines Tages und las in einem Büchlein meines einst berühmten
Vorfahren Ludwig Wassermaler, worin er, das Amtsjahr von Monat zu Monat durchlaufend, seinen Nachfolgern Hinweise und Ratschläge gibt. Ich las da seine Mahnung, beizeiten an das öffentliche Glasperlenspiel des kommenden Jahres zu denken und, falls man sich dazu unlustig fühle und es einem an Einfällen mangle, sich durch Konzentration dazu zu stimmen. Als ich, in meinem kräftigen Gefühl als jüngster Magister, diese Mahnung las, lächelte ich zwar ein wenig jugendklug über die Sorgen des alten Mannes, der sie niedergeschrieben hatte, es klang mir aber doch auch etwas von Ernst und Gefahr, etwas Bedrohendes und Beklemmendes daraus nach. Das Nachdenken darüber führte mich zu dem Entschluß: sollte jemals der Tag kommen, an dem der Gedanke an das nächste Festspiel mir statt Freude Sorge und statt Stolz Angst einflößen würde, so würde ich, statt mir mühsam ein neues Festspiel abzuquälen, meinen Rücktritt nehmen und der Behörde die Insignien zurückgeben. Dies war das erste Mal, daß solch ein Gedanke mich beschäftigte, und allerdings glaubte ich damals, als ich eben die großen Strapazen des Einarbeitens in mein Amt überstanden und die Segel voll Wind hatte, zuinnerst nicht so recht an die Möglichkeit, daß auch ich einmal ein alter Mann und der Arbeit und des Lebens müde sein, daß ich einmal verdrossen und verlegen vor der Aufgabe stehen könnte, Ideen für neue Glasperlen
spiele aus dem Ärmel zu schütteln. Immerhin, der Entschluß kam damals in mir zustande. Ihr habt mich ja zu jener Zeit recht gut gekannt, Ehrwürdiger, besser vielleicht, als ich mich selber kannte, Ihr wart mein Berater und Beichtvater in der schweren ersten Amtszeit gewesen und hattet Waldzell erst vor kurzem wieder verlassen.«
    Alexander blickte ihn prüfend an. »Ich habe kaum je einen schöneren Auftrag gehabt«, sagte er, »und war damals mit Euch und mit mir selber zufrieden, wie man es selten ist. Wenn es richtig ist, daß man alles Angenehme im Leben bezahlen muß, nun, so muß ich jetzt für mein damaliges Hochgefühl büßen. Ich war damals richtig stolz auf Euch. Das kann ich heute nicht sein. Wenn der Orden durch Euch eine Enttäuschung und Kastalien eine Erschütterung erlebt, so weiß ich mich dafür mitverantwortlich. Vielleicht hätte ich damals, als ich Euer Begleiter und Ratgeber war, einige Wochen länger in Eurer Spielersiedlung bleiben oder Euch noch etwas härter anfassen, noch genauer kontrollieren sollen.«
    Knecht erwiderte seinen Blick heiter. »Ihr solltet Euch solche Skrupel nicht machen, Domine, ich müßte Euch sonst an manche Ermahnungen erinnern, die Ihr mir damals geben mußtet, wenn ich als jüngster Magister mein Amt mit seinen Verpflichtungen und Verantwortungen allzu schwer nahm. Ihr sagtet mir, eben fällt es mir wieder ein, in einer solchen Stunde
einmal: wenn ich, der Magister Ludi, ein Bösewicht oder Unfähiger wäre, und wenn ich alles täte, was ein Magister nicht tun darf, ja wenn ich es absichtlich darauf anlegte, in meiner hohen Stellung möglichst viel Schaden anzurichten, so würde dies alles unser liebes Kastalien nicht mehr stören und tiefer anrühren können als ein Steinchen, das man in einen See wirft. Ein paar Wellchen und Kreise, und es ist vorüber. So fest, so sicher sei unsre kastalische Ordnung, so unantastbar ihr Geist. Erinnert Ihr Euch? Nein, an meinen Versuchen, ein

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