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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Pflug, uns wächst kein Brot.
     
    Wir wissen nicht, wie Gott es mit uns meint,
    Er spielt mit uns, dem Ton in seiner Hand,
    Der stumm und bildsam ist, nicht lacht noch weint,
    Der wohl geknetet wird, doch nie gebrannt.
     
    Einmal zu Stein erstarren! Einmal dauern!
    Danach ist unsre Sehnsucht ewig rege,
    Und bleibt doch ewig nur ein banges Schauern,
    Und wird doch nie zur Rast auf unsrem Wege.

Entgegenkommen
    Die ewig Unentwegten und Naiven
    Ertragen freilich unsre Zweifel nicht.
    Flach sei die Welt, erklären sie uns schlicht,
    Und Faselei die Sage von den Tiefen.
     
    Denn sollt es wirklich andre Dimensionen
    Als die zwei guten, altvertrauten geben,
    Wie könnte da ein Mensch noch sicher wohnen,
    Wie könnte da ein Mensch noch sorglos leben?
     
    Um also einen Frieden zu erreichen,
    So laßt uns eine Dimension denn streichen!
     
    Denn sind die Unentwegten wirklich ehrlich,
    Und ist das Tiefensehen so gefährlich,
    Dann ist die dritte Dimension entbehrlich.

Doch heimlich dürsten wir . . .
    Anmutig, geistig, arabeskenzart
    Scheint unser Leben sich wie das von Feen
    In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen,
    Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.
     
    Schönheit der Träume, holde Spielerei,
    So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,
    Tief unter deiner heitern Fläche glimmt
    Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.
     
    Im Leeren dreht sich, ohne Zwang und Not,
    Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit,
    Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit,
    Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.

Buchstaben
    Gelegentlich ergreifen wir die Feder
    Und schreiben Zeichen auf ein weißes Blatt,
    Die sagen dies und das, es kennt sie jeder,
    Es ist ein Spiel, das seine Regeln hat.
    Doch wenn ein Wilder oder Mondmann käme
    Und solches Blatt, solch furchig Runenfeld
    Neugierig forschend vor die Augen nähme,
    Ihm starrte draus ein fremdes Bild der Welt,
    Ein fremder Zauberbildersaal entgegen.
    Er sähe A und B als Mensch und Tier,
    Als Augen, Zungen, Glieder sich bewegen,
    Bedächtig dort, gehetzt von Trieben hier,
    Er läse wie im Schnee den Krähentritt,
    Er liefe, ruhte, litte, flöge mit
    Und sähe aller Schöpfung Möglichkeiten
    Durch die erstarrten schwarzen Zeichen spuken,
    Durch die gestabten Ornamente gleiten,
    Säh Liebe glühen, sähe Schmerzen zucken.
    Er würde staunen, lachen, weinen, zittern,
    Da hinter dieser Schrift gestabten Gittern
    Die ganze Welt in ihrem blinden Drang
    Verkleinert ihm erschiene, in die Zeichen
    Verzwergt, verzaubert, die in steifem Gang
    Gefangen gehn und so einander gleichen,
    Daß Lebensdrang und Tod, Wollust und Leiden
    Zu Brüdern werden, kaum zu unterscheiden . . .
     
    Und endlich würde dieser Wilde schreien
    Vor unerträglicher Angst, und Feuer schüren
    Und unter Stirnaufschlag und Litaneien
    Das weiße Runenblatt den Flammen weihen.
    Dann würde er vielleicht einschlummernd spüren,
    Wie diese Un-Welt, dieser Zaubertand,
    Dies Unerträgliche zurück ins Niegewesen
    Gesogen würde und ins Nirgendland,
    Und würde seufzen, lächeln und genesen.

Beim Lesen in einem alten Philosophen
    Was gestern noch voll Reiz und Adel war,
    Jahrhundertfrucht erlesener Gedanken,
    Plötzlich erblaßt's, wird welk und Sinnes bar
    Wie eine Notenschrift, aus deren Ranken
     
    Man Kreuz und Schlüssel löschte; es entwich
    Aus einem Bau der magische Schwerpunkt; lallend
    Wankt auseinander und zerlüdert sich,
    Was Harmonie schien, ewig widerhallend.
     
    So kann ein altes weises Angesicht,
    Das liebend wir bewundert, sich zerknittern
    Und todesreif sein geistig strahlend Licht
    In kläglich irrem Fältchenspiel verzittern.
     
    So kann ein Hochgefühl in unsern Sinnen
    Sich, kaum gefühlt, verfratzen zu Verdruß,
    Als wohne längst schon die Erkenntnis innen,
    Daß alles faulen, welken, sterben muß.
     
    Und über diesem eklen Leichentale
    Reckt dennoch schmerzvoll, aber unverderblich,
    Der Geist voll Sehnsucht glühende Fanale,
    Bekriegt den Tod und macht sich selbst unsterblich.

Der letzte Glasperlenspieler
    Sein Spielzeug, bunte Perlen, in der Hand,
    Sitzt er gebückt, es liegt um ihn das Land
    Verheert von Krieg und Pest, auf den Ruinen
    Wächst Efeu, und im Efeu summen Bienen.
    Ein müder Friede mit gedämpftem Psalter
    Durchtönt die Welt, ein stilles Greisenalter.
    Der Alte seine bunten Perlen zählt,
    Hier eine blaue, eine weiße faßt,
    Da eine große, eine kleine wählt
    Und sie im Ring zum Spiel zusammenpaßt.
    Er war einst groß im Spiel mit den Symbolen,
    War vieler

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