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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Künste, vieler Sprachen Meister,
    War ein weltkundiger, ein weitgereister,
    Berühmter Mann, gekannt bis zu den Polen,
    Umgeben stets von Schülern und Kollegen.
    Jetzt blieb er übrig, alt, verbraucht, allein,
    Es wirbt kein Jünger mehr um seinen Segen,
    Es lädt ihn kein Magister zum Disput;
    Sie sind dahin, und auch die Tempel, Büchereien,
    Schulen Kastaliens sind nicht mehr . . . Der Alte ruht
    Im Trümmerfeld, die Perlen in der Hand,
    Hieroglyphen, die einst viel besagten,
    Nun sind sie nur noch bunte gläserne Scherben.
    Sie rollen lautlos aus des Hochbetagten
    Händen dahin, verlieren sich im Sand . . .

Zu einer Toccata von Bach
    Urschweigen starrt . . . Es waltet Finsternis . . .
    Da bricht ein Strahl aus zackigem Wolkenriß,
    Greift Weltentiefen aus dem blinden Nichtsein,
    Baut Räume auf, durchwühlt mit Licht die Nacht,
    Läßt Grat und Gipfel ahnen, Hang und Schacht,
    Läßt Lüfte locker blau, läßt Erde dicht sein.
     
    Es spaltet schöpferisch zu Tat und Krieg
    Der Strahl entzwei das keimend Trächtige:
    Aufglänzt entzündet die erschrockne Welt:
    Es wandelt sich, wohin die Lichtsaat fällt,
    Es ordnet sich und tönt die Prächtige
    Dem Leben Lob, dem Schöpfer Lichte Sieg.
     
    Und weiter schwingt sich, gottwärts rückbezogen,
    Und drängt durch aller Kreatur Getriebe
    Dem Vater Geiste zu der große Drang.
    Er wird zu Lust und Not, zu Sprache, Bild, Gesang,
    Wölbt Welt um Welt zu Domes Siegesbogen,
    Ist Trieb, ist Geist, ist Kampf und Glück, ist Liebe.

Ein Traum
    In einem Kloster im Gebirg zu Gast,
    Trat ich, da alle beten gangen waren,
    In einen Büchersaal. Im Abendsonnenglast
    Still glänzten an der Wand mit wunderbaren
    Inschriften tausend pergamentene Rücken.
    Voll Wißbegierde griff ich und Entzücken
    Ein erstes Buch zur Probe, nahm und las:
    »Zur Zirkelquadratur der letzte Schritt.«
    Dies Buch, so dacht ich rasch, nehm ich mir mit!
    Ein andres Buch, goldlederner Quartant,
    Auf dessen Rücken klein geschrieben stand:
    »Wie Adam auch vom andern Baume aß« . . ..
    Vom andern Baum? Von welchem: Dem des Lebens!
    So ist Adam unsterblich? Nicht vergebens,
    So sah ich, war ich hier, und einen Folianten
    Erblickt ich, der an Rücken, Schnitt und Kanten
    In regenbogenfarbenen Tönen strahlte.
    Sein Titel lautete, der handgemalte:
    »Der Farben und der Töne Sinn-Entsprechung.
    Nachweis, wie jeder Farb' und Farbenbrechung
    Als Antwort eine Tonart zugehöre.«
    O wie verheißungsvoll die Farbenchöre
    Mir funkelten! Und ich begann zu ahnen,
    Und jeder Griff nach einem Buch bewies es:
    Dies war die Bücherei des Paradieses;
    Auf alle Fragen, die mich je bedrängten,
     
    Alle Erkenntnisdürste, die mich je versengten,
    War Antwort hier und jedem Hunger Brot
    Des Geistes aufbewahrt. Denn wo ich einen Band
    Mit schnellem Blick befragte, jedem stand
    Ein Titel angeschrieben voll Versprechen;
    Es war hier vorgesorgt für jede Not,
    Es waren alle Früchte hier zu brechen,
    Nach welchen je ein Schüler ahnend bangte,
    Nach welchen je ein Meister wagend langte.
    Es war der Sinn, der innerste und reinste
    Jedweder Weisheit, Dichtung, Wissenschaft,
    War jeder Fragestellung Zauberkraft
    Samt Schlüssel und Vokabular, es war die feinste
    Essenz des Geistes hier in unerhörten,
    Geheimen Meisterbüchern aufbewahrt.
    Die Schlüssel lagen hier zu jeder Art
    Von Frage und Geheimnis und gehörten
    Dem, dem der Zauberstunde Gunst sie bot.
     
    So legt ich denn, mir zitterten die Hände,
    Aufs Lesepult mir einen dieser Bände,
    Entzifferte die magische Bilderschrift,
    So, wie im Traum man oft das Niegelernte
    Halb spielend unternimmt und glücklich trifft.
    Und alsbald war beschwingt ich in besternte
    Geisträume unterwegs, dem Tierkreis eingebaut,
    In welchen alles, was an Offenbarung
    Der Völker Ahnung bildlich je erschaut,
    Erbe jahrtausendalter Welterfahrung,
    Harmonisch sich zu immer neuen Bindungen
    Begegnete und eins aufs andre rückbezog,
    Alten Erkenntnissen, Sinnbildern, Findungen
    Stets neue, höhere Frage jung entflog,
    So daß ich lesend, in Minuten oder Stunden,
    Der ganzen Menschheit Weg noch einmal ging
    Und ihrer ältesten und jüngsten Kunden
    Gemeinsam inneren Sinn in mir empfing.
    Ich las und sah der Bilderschrift Gestalten
    Sich miteinander paaren, rückentfalten,
    Zu Reigen ordnen, auseinanderfließen
    Und sich in neue Bildungen ergießen,
    Kaleidoskop sinnbildlicher Figuren,
    Die unerschöpflich neuen Sinn erfuhren.
     
    Und wie ich so, von Schauungen

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