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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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halbgeschlossenen Lidern, das Gesicht von innen her leise leuchtend, und wußte
nicht, sollte er jubeln über die Seligkeit dieser Augenblicke oder weinen, daß sie vorüber waren. Da stand der alte Mann langsam vom Klavierstühlchen auf, sah ihn mit den heitern blauen Augen durchdringend und zugleich unsäglich freundlich an und sagte: »Nirgends können zwei Menschen leichter Freunde werden als beim Musizieren. Das ist eine schöne Sache. Hoffentlich werden wir Freunde bleiben, du und ich. Vielleicht wirst du auch Fugen machen lernen, Josef.« Damit gab er ihm die Hand und ging, und in der Tür wendete er sich noch einmal um und grüßte zum Abschied mit einem Blick und einem höflichen kleinen Neigen des Kopfes.
    Knecht hat viele Jahre später seinem Schüler erzählt: als er aus dem Hause trat, fand er die Stadt und die Welt viel mehr verwandelt und verzaubert, als wenn Fahnen und Kränze, Bänder und Feuerwerke sie geschmückt hätten. Er hatte den Vorgang der Berufung erlebt, den man recht wohl ein Sakrament nennen darf: das Sichtbarwerden und einladende Sichöffnen der idealen Welt, welche bis dahin dem jungen Gemüt nur teils vom Hörensagen, teils aus glühenden Träumen bekannt gewesen war. Diese Welt existierte nicht nur irgendwo in der Ferne, in der Vergangenheit oder Zukunft, nein, sie war da und war aktiv, sie strahlte aus, sie schickte Sendboten, Apostel, Gesandte aus, Männer wie diesen alten Magister, der übrigens, wie es Josef scheinen wollte, eigentlich doch
gar nicht so sehr alt war. Und aus dieser Welt, durch einen dieser ehrwürdigen Sendboten, war auch an ihn, den kleinen Lateinschüler, Mahnung und Ruf ergangen! Diese Bedeutung hatte das Erlebnis für ihn, und es dauerte Wochen, bis er wirklich wußte und überzeugt war, daß dem magischen Vorgang jener geweihten Stunde auch ein exakter Vorgang in der realen Welt entsprach, daß die Berufung nicht bloß eine Beglückung und Mahnung in seiner eigenen Seele und seinem Gewissen, sondern auch eine Gabe und Mahnung der irdischen Mächte an ihn war. Denn auf die Dauer konnte es nicht verborgen bleiben, daß der Besuch des Musikmeisters weder ein Zufall noch eine wirkliche Schulinspektion gewesen war. Sondern Knechts Name hatte schon seit längerer Zeit, auf Grund von Berichten seiner Lehrer, auf den Listen der Schüler gestanden, welche einer Erziehung in den Eliteschulen würdig schienen oder doch der obersten Behörde hierzu empfohlen waren. Da dieser Knabe Knecht nicht nur als Lateiner und als angenehmer Charakter gelobt, sondern auch noch speziell von seinem Musiklehrer empfohlen und gerühmt wurde, hatte es der Musikmeister auf sich genommen, bei Gelegenheit einer Amtsreise sich ein paar Stunden Zeit für Berolfingen zu nehmen und sich diesen Schüler anzusehen. Dabei war es ihm nicht so sehr auf das Latein und nicht so sehr auf die Fingerfertigkeit angekommen (hierin verließ er sich auf
die Zeugnisse der Lehrer, deren Studium er immerhin eine Stunde gönnte) als darauf, ob dieser Knabe in seinem ganzen Wesen das Zeug zum Musikanten im höhern Sinn habe, zur Begeisterung, zum Sicheinordnen, zur Ehrfurcht, zum Dienst am Kultus. Im allgemeinen waren aus guten Gründen die Lehrer an den öffentlichen höhern Schulen nichts weniger als freigebig mit Empfehlungen von Schülern für die »Elite«, immerhin kamen etwa einmal Begünstigungen aus mehr oder weniger unlautern Absichten vor, und nicht selten empfahl auch ein Lehrer aus Mangel an Blick hartnäckig irgendeinen Lieblingsschüler, der außer Fleiß, Ehrgeiz und klugem Verhalten gegen die Lehrer wenig Vorzüge hatte. Gerade diese Art war dem Musikmeister besonders zuwider, er hatte den Blick dafür, ob ein Prüfling sich dessen bewußt war, daß es jetzt um seine Zukunft und Laufbahn gehe, und wehe dem Schüler, der ihm allzu geschickt, allzu bewußt und klug begegnete oder gar ihm zu schmeicheln versuchte, er war in manchen Fällen schon verworfen, noch ehe eine Prüfung begonnen hatte.
    Der Schüler Knecht nun hatte dem alten Musikmeister gefallen, sehr gut hatte er ihm gefallen, noch auf der Weiterreise dachte er vergnügt an ihn zurück; er hatte sich keinerlei Notizen und Zeugnisse über ihn ins Heft geschrieben, sondern nahm die Erinnerung an den frischen, bescheidenen Knaben mit sich und schrieb nach der Rückkehr mit eigener Hand sei
nen Namen in die Liste der Schüler, welche von einem Mitglied der obersten Behörde selbst geprüft und der Aufnahme würdig befunden waren.
    Von dieser

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