Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
hingab, und in der Tat empfand er in ihren Armen ein großes Glück. Von manchen
Göttern und Heiligen erzählt man Geschichten, daß sie, von einer entzückenden Frau bezaubert, dieselbe tage-, monde- und jahrelang umarmt hielten und mit ihr verschmolzen blieben, ganz in Lust versunken, jeder anderen Verrichtung vergessend. So hätte auch Dasa sich sein Los und seine Liebe gewünscht. Indessen war ihm anderes beschieden, und sein Glück währte nicht lange. Es währte etwa ein Jahr, und auch diese Zeit war nicht von lauter Glück ausgefüllt, es blieb noch Raum für mancherlei, für lästige Ansprüche des Schwiegervaters, für Sticheleien von seiten der Schwäger, für Launen der jungen Frau. Sooft er aber zu ihr sich aufs Lager begab, war dies alles vergessen und zu nichts geworden, so zauberhaft zog ihr Lächeln ihn an, so süß war es ihm, ihre schlanken Glieder zu streicheln, so mit tausend Blüten, Düften und Schatten blühte der Garten der Wollust an ihrem jungen Leibe.
Noch war das Glück kein ganzes Jahr alt geworden, da kam eines Tages Unruhe und Lärm in die Gegend. Es erschienen berittene Boten und meldeten den jungen Rajah an, es erschien mit Mannen, Pferden und Troß der junge Rajah selbst, Nala, um in der Gegend der Jagd obzuliegen, es wurden da und dort Zelte aufgeschlagen, man hörte Rosse schnauben und Hörner blasen. Dasa kümmerte sich nicht darum, er arbeitete im Felde, besorgte die Mühle und wich den Jägern und Hofleuten aus. Als er aber an einem dieser Tage
in seine Hütte heimkehrte und sein Weib nicht darin fand, dem er jeden Ausgang in dieser Zeit aufs strengste verboten hatte, da spürte er einen Stich im Herzen und ahnte, daß sich Unglück über seinem Haupt ansammle. Er eilte zum Schwiegervater, auch da war Pravati nicht, und niemand wollte sie gesehen haben. Der bange Druck auf seinem Herzen wuchs. Er suchte den Kohlgarten, die Felder ab, er war einen Tag und zwei Tage zwischen seiner Hütte und der des Schwiegervaters unterwegs, lauerte im Acker, stieg in den Brunnen hinab, betete, rief ihren Namen, lockte, fluchte, suchte Fußspuren. Der jüngste seiner Schwäger, ein Knabe noch, verriet ihm endlich, Pravati sei beim Rajah, sie wohne in seinem Zelt, man habe sie auf seinem Pferd reiten sehen. Dasa umlauerte das Zeltlager Nalas, unsichtbar, er hatte die Schleuder bei sich, die er einst als Hirt gebraucht hatte. Sooft das Fürstenzelt, bei Tag oder Nacht, einen Augenblick unbewacht schien, pirschte er sich heran, aber jedesmal tauchten alsbald Wachen auf, und er mußte fliehen. Von einem Baume, in dessen Gezweig verborgen er auf das Lager niederblickte, sah er den Rajah, dessen Gesicht ihm schon von jenem Fest in der Stadt her bekannt und widerwärtig war, sah ihn zu Pferd steigen und ausreiten, und als er nach Stunden wiederkam, vom Pferd stieg und das Zelttuch zurückschlug, war es ein junges Weib, das Dasa im Zeltschatten sich bewegen und den Heimkehren
den begrüßen sah, und es fehlte wenig, so wäre er vom Baum gefallen, als er in diesem jungen Weibe Pravati, seine Frau, erkannte. Er hatte jetzt Gewißheit, und der Druck um sein Herz wurde stärker. War das Glück seiner Liebe mit Pravati groß gewesen, nicht minder groß, ja größer war nun das Leid, die Wut, das Gefühl von Verlust und Beleidigung. So ist es, wenn ein Mensch sein Liebesvermögen auf einen einzigen Gegenstand gesammelt hat; mit dessen Verlust stürzt ihm alles zusammen, und er steht arm zwischen Trümmern.
Einen Tag und eine Nacht irrte Dasa in den Gehölzen der Gegend umher, aus jeder kurzen Rast trieb den Ermüdeten das Elend seines Herzens wieder empor, er mußte laufen und sich rühren, es war ihm, als müsse er laufen und wandern bis an der Welt Ende und bis ans Ende seines Lebens, das seinen Wert und Glanz verloren hatte. Dennoch lief er nicht ins Weite und Unbekannte, sondern hielt sich immerzu in der Nähe seines Unglücks, umkreiste seine Hütte, die Mühle, die Äcker, das fürstliche Jagdzelt. Am Ende barg er sich wieder in den Bäumen überm Zelte, hockte und lauerte bitter und glühend wie ein hungerndes Raubtier im laubigen Versteck, bis der Augenblick kam, auf den er seine letzten Kräfte gespannt hielt, bis der Rajah vors Zelt trat. Da ließ er sich leise vom Ast gleiten, holte aus, schwang die Schleuder und traf mit dem Feldstein den Verhaßten
in die Stirn, daß er hinstürzte und regungslos auf dem Rücken lag. Niemand schien zugegen; durch den Sturm von Wollust und Rachegenuß, der
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