Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
dem tiefen goldnen Brausen der Hummeln. Wie Zuflucht und Heimat klang und duftete es hier, noch nie hatte er, des schweifenden Hirtenlebens gewohnt, eine Gegend so als ihm zugehörig und heimatlich empfunden.
    Von diesen Stimmen in seiner Seele begleitet und geführt, mit Gefühlen ähnlich denen eines Heimgekehrten, wandelte er durch das freundliche Land, seit schrecklichen Monaten zum erstenmal nicht als ein Fremdling, als ein Verfolgter, Flüchtiger und dem Tod Verschriebener, sondern bereiten Herzens, an nichts denkend, nichts begehrend, ganz der stillheitern Gegenwart und Nähe ergeben, empfangend, dankbar und ein wenig über sich selbst und über diesen neuen, ungewohnten, zum erstenmal und mit Entzücken erlebten Seelenzustand verwundert, über diese wunschlose Aufgeschlossenheit, diese Heiterkeit ohne Spannung, diese aufmerksame und dank
bare Art betrachtenden Genießens. Es zog ihn über die grünen Weiden hin zum Wald, unter die Bäume, in die mit kleinen Sonnenflecken bestreute Dämmerung, und hier verstärkte sich jenes Gefühl von Wiederkehr und Heimat und führte ihn Wege, die seine Füße von selbst zu finden schienen, bis er durch eine Farnwildnis, einen dichten Kleinwald inmitten des großen Waldes, zu einer winzigen Hütte gelangte, und vor der Hütte an der Erde saß der regungslose Yogin, den er einst belauscht und dem er Milch gebracht hatte.
    Wie erwachend blieb Dasa stehen. Hier war alles, wie es einst gewesen war, hier war keine Zeit vergangen, war nicht gemordet und gelitten worden; hier stand, so schien es, die Zeit und das Leben fest wie Kristall, gestillt und verewigt. Er betrachtete den Alten, und es kehrte in sein Herz jene Bewunderung, Liebe und Sehnsucht zurück, die er einst bei seinem ersten Anblick empfunden hatte. Er betrachtete die Hütte und dachte bei sich, daß es wohl nötig wäre, sie vor dem Anbruch der nächsten Regenzeit etwas auszubessern. Dann wagte er ein paar vorsichtige Schritte, trat ins Innere der Hütte und spähte, was sie enthalte; es war nicht viel, es war beinahe nichts: ein Lager aus Laub, eine Kürbisschale mit etwas Wasser darin und ein leerer Bastbeutel. Den Beutel nahm er und ging mit ihm davon, suchte im Walde nach Speise, brachte Früchte und süßes Baummark mit,
dann ging er mit der Schale und füllte sie mit frischem Wasser. Nun war getan, was hier getan werden konnte. So wenig brauchte einer, um zu leben. Dasa kauerte sich auf die Erde und versank in Träumerei. Er war zufrieden mit diesem schweigenden Ruhen und Träumen im Walde, er war zufrieden mit sich selbst, mit der Stimme in seinem Innern, die ihn hierher geführt hatte, wo er schon als Jüngling einst etwas wie Friede, Glück und Heimat gespürt hatte.
    So blieb er denn bei dem Schweigsamen. Er erneuerte dessen Laubstreu, suchte Speise für sie beide, besserte dann die alte Hütte aus und begann mit dem Bau einer zweiten, die er in geringer Entfernung für sich selber errichtete. Der Alte schien ihn zu dulden, doch war nicht eigentlich zu erkennen, ob er ihn überhaupt wahrgenommen habe. Wenn er aus seiner Versenkung aufstand, war es nur, um in die Hütte schlafen zu gehen, um einen Bissen zu essen oder einen kurzen Gang in den Wald zu tun. Dasa lebte neben dem Ehrwürdigen wie ein Diener in der Nähe eines Großen, oder eher noch wie ein kleines Haustier, ein zahmer Vogel oder etwa ein Mungo neben Menschen hinlebt, dienstbar und kaum bemerkt. Da er eine lange Zeit flüchtig und verborgen gelebt hatte, unsicher, schlechten Gewissens und stets auf Verfolgung gefaßt, tat das ruhige Leben, die mühelose Arbeit und die Nachbarschaft eines Menschen, der seiner gar nicht zu achten schien, für eine Weile sehr
wohl, er schlief ohne Angstträume und vergaß für halbe und ganze Tage das, was geschehen war. An die Zukunft dachte er nicht, und wenn eine Sehnsucht oder ein Wunsch ihn erfüllte, so war es der, hier zu bleiben und von dem Yogin in das Geheimnis eines einsiedlerischen Lebens aufgenommen und eingeweiht, selber ein Yogin und des Yogitums und seiner stolzen Unbekümmertheit teilhaftig zu werden. Er hatte begonnen, des öfteren die Haltung des Ehrwürdigen nachzuahmen, gleich ihm mit gekreuzten Beinen regungslos zu sitzen, gleich ihm in eine unbekannte und überwirkliche Welt zu blicken und für das, was ihn umgab, unempfindlich zu werden. Dabei war er meistens recht bald ermüdet, hatte steife Glieder und Schmerzen im Rücken bekommen, war von Mücken belästigt oder von wunderlichen

Weitere Kostenlose Bücher