Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
Ehrfurcht und der Bewunderung für diesen Mann, spürte es als Liebe zu ihm und als Sehnsucht nach einem Leben, wie dieser in der Versenkung Sitzende es zu leben schien. Und so stand Dasa, auf wunderliche Weise durch den Alten an seine Herkunft, an Fürsten- und Königtum erinnert und im Herzen berührt, am Rande der Farnwildnis, ließ die Vögel fliegen und die Bäume ihre sanftrauschenden Gespräche führen, ließ den Wald Wald und die ferne Herde Herde sein, ergab sich dem Zauber und blickte auf den meditierenden Einsiedler, eingefangen von der unbegreiflichen Stille und Unberührbarkeit seiner Gestalt, von der lichten Ruhe seines Antlitzes, von der Kraft und Sammlung seiner Haltung, der vollkommenen Hingabe seines Dienstes.
Nachher hätte er nicht sagen können, ob es zwei oder drei Stunden, oder ob es Tage waren, die er bei jener Hütte verbracht hatte. Als der Zauber ihn wieder entließ, als er sich lautlos den Pfad zwischen den Farnkräutern zurückschlich, den Weg aus dem Walde suchte und schließlich wieder bei den offenen Weidegründen und der Herde anlangte, tat er es, ohne zu wissen, was er tue, noch war seine Seele bezaubert, und er erwachte erst, als einer der Hirten ihn anrief. Dieser empfing ihn mit lauten Scheltworten wegen seines langen Fortbleibens, aber als Dasa ihn groß und verwundert anschaute, als verstehe er die Worte nicht, schwieg der Hirt alsbald, über den so ungewohnten, fremden Blick des Knaben und seine feierliche Haltung erstaunt. Nach einer Weile aber fragte er: »Wo bist du denn gewesen, Lieber? Hast du etwa einen Gott gesehen oder bist einem Dämon begegnet?«
»Ich war im Walde«, sagte Dasa, »es zog mich dorthin, ich wollte nach Honig suchen. Aber dann vergaß ich es, denn ich sah dort einen Mann, einen Einsiedler, der saß da und war in Nachdenken versunken oder in Gebet, und als ich ihn sah und wie sein Gesicht leuchtete, mußte ich stehenbleiben und ihn ansehen, eine lange Zeit. Ich möchte am Abend hingehen und ihm Gaben bringen, er ist ein heiliger Mann.«
»Tu es«, sagte der Hirt, »bring ihm Milch und süße
Butter; man soll sie ehren und soll ihnen geben, den Heiligen.«
»Aber wie soll ich ihn anreden?«
»Du brauchst ihn nicht anzureden, Dasa, bücke dich nur vor ihm und stelle die Gaben vor ihm nieder, mehr ist nicht vonnöten.«
So tat er denn. Er brauchte eine Weile, bis er den Ort wiederfand. Der Platz vor der Hütte war leer, und in die Hütte selbst einzutreten, wagte er nicht, so stellte er seine Gaben vor dem Eingang der Hütte auf den Boden und entfernte sich.
Solange nun die Hirten mit den Kühen in der Nähe des Ortes blieben, brachte er jeden Abend Spenden dorthin, und auch am Tage ging er einmal wieder hin, fand den Ehrwürdigen der Versenkung pflegen und widerstand auch dieses Mal der Verlockung nicht, als beseligter Zuschauer einen Strahl von der Kraft und der Glückseligkeit des Heiligen zu empfangen. Und auch nachdem man die Gegend verlassen und Dasa die Herde auf neue Weidegründe zu treiben geholfen hatte, konnte er das Erlebnis im Walde noch lange Zeit nicht vergessen, und wie es die Art von Knaben ist, gab er zuweilen, wenn er allein war, sich dem Traume hin, sich selbst als einen Einsiedler und Yogakundigen zu sehen. Indessen begann mit der Zeit die Erinnerung und das Traumbild blasser zu werden, um so mehr, da Dasa nun rasch zu einem kräftigen Jüngling heranwuchs und sich den Spielen
und Kämpfen mit seinesgleichen mit freudigem Eifer hingab. Doch blieb ein Schimmer und eine leise Ahnung in seiner Seele zurück, als könnte das Prinzentum und Fürstentum, das ihm verlorengegangen war, ihm einst ersetzt werden durch die Würde und Macht des Yogitums.
Eines Tages, da sie sich in der Nähe der Stadt befanden, brachte einer der Hirten von dort die Nachricht, daß daselbst ein gewaltiges Fest bevorstehe: der alte Fürst Ravana, von seiner einstigen Kraft verlassen und hinfällig geworden, hatte einen Tag festgesetzt, an welchem sein Sohn Nala seine Nachfolge antreten und zum Fürsten ausgerufen werden sollte. Dieses Fest wünschte Dasa zu besuchen, um die Stadt einmal zu sehen, an welche aus der Kindheit her kaum noch eine leise Spur von Erinnerung in seiner Seele lebte, um die Musik zu hören, den Festzug und die Wettkämpfe der Adligen anzuschauen und auch einmal jener unbekannten Welt der Stadtmenschen und der Großen ansichtig zu werden, die in den Sagen und Märchen so oft geschildert wurde und von der er, auch dies war nur eine Sage
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