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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dankbar dafür. Verstehe mich richtig: du sollst keineswegs dich als eine Art von Spion betrach
ten oder ein dir von den Patres erwiesenes Vertrauen mißbrauchen. Du sollst mir keine Mitteilung machen, die dein Gewissen dir nicht erlaubt. Daß wir etwaige Informationen nur im Interesse unsres Ordens und Kastaliens zur Kenntnis nehmen und verwerten, dafür bin ich dir Bürge. Wir sind keine wirklichen Politiker und haben keinerlei Macht, aber auch wir sind auf die Welt angewiesen, die uns braucht oder duldet. Es kann uns unter Umständen von Nutzen sein, es zu erfahren, wenn ein Staatsmann im Kloster einkehrt, oder der Papst für krank gilt, oder neue Anwärter auf die Liste der künftigen Kardinäle kommen. Wir sind nicht auf deine Mitteilungen angewiesen, wir haben mancherlei Quellen, aber eine kleine Quelle mehr kann nicht schaden. Geh nun, du brauchst heute zu meiner Anregung weder ja noch nein zu sagen. Nimm dir nichts vor, als vorerst deinen amtlichen Auftrag gut auszuführen und uns bei den geistlichen Vätern Ehre zu machen. Ich wünsche gute Reise.«
    Im Buch der Wandlungen, das Knecht vor dem Antritt seiner Reise unter Vollziehung der Schafgarbenstengel-Zeremonie befragte, stieß er auf das Zeichen Lü, das bedeutet »Der Wanderer« mit dem Urteil »Durch Kleinheit Gelingen. Dem Wanderer ist Beharrlichkeit von Heil.« Er fand eine Sechs auf zweitem Platz und schlug im Buche die Deutung nach:
     
    »Der Wanderer kommt zur Herberge.

Er hat seinen Besitz bei sich.

Er erlangt eines jungen Dieners Beharrlichkeit.«
     
    Das Abschiednehmen geschah mit Heiterkeit, nur die letzte Unterredung mit Tegularius war für beide eine harte Probe der Standhaftigkeit. Fritz tat sich Gewalt an und war in der Kühle, die er sich aufzwang, wie erstarrt; für ihn ging mit dem Freunde das Beste weg, was er besaß. Knechts Wesen ließ eine so leidenschaftliche und namentlich eine so ausschließliche Bindung an einen Freund nicht zu, er konnte im Notfall auch ohne Freund sein und konnte den Strahl seiner Sympathie ohne Hemmung neuen Objekten und Menschen zuwenden. Ein einschneidender Verlust war ihm der Abschied nicht; wohl aber kannte er den Freund schon damals gut genug, um zu wissen, welche Erschütterung und Prüfung diese Trennung ihm bedeute, und um sich Sorge um ihn zu machen. Er hatte sich über diese Freundschaft schon oft Gedanken gemacht, hatte einmal auch mit dem Musikmeister über sie gesprochen und hatte es bis zu einem gewissen Grade gelernt, das eigene Erlebnis und Gefühl zu objektivieren und kritisch zu betrachten. Es war ihm dabei bewußt geworden, daß es nicht eigentlich oder doch nicht allein die große Begabung des andern war, die ihn fesselte und ihm etwas wie Leidenschaft für ihn eingab, son
dern gerade die Verbindung dieser Begabung mit so schweren Mängeln, so großer Gebrechlichkeit, und daß die Einseitigkeit und Ausschließlichkeit der Liebe, die ihm Tegularius entgegenbrachte, nicht nur einen schönen, sondern auch einen gefährlichen Reiz und Aspekt habe, nämlich die Versuchung, den an Kraft, aber nicht an Liebe Schwächeren gelegentlich seine Macht fühlen zu lassen. Er hatte sich in dieser Freundschaft eine große Zurückhaltung und Selbstzucht zur Pflicht gemacht bis zuletzt. In Knechts Leben hätte der andre, so lieb er ihm war, keine tiefe Bedeutung gewonnen, wenn nicht die Freundschaft mit diesem zarten, von seinem so viel stärkern und sichereren Freund faszinierten Menschen ihn über die Anziehungskraft und Macht belehrt hätte, die ihm über manche Menschen gegeben war. Er lernte spüren, daß etwas von dieser Macht, andre anzuziehen und zu beeinflussen, wesentlich mit zur Begabung des Lehrers und Erziehers gehöre, und daß sie Gefahren berge und Verantwortung auferlege. Tegularius war ja nur einer von manchen, Knecht sah sich vielen werbenden Blicken ausgesetzt. Zugleich hatte er im letzten Jahre die hochgespannte Atmosphäre, in der er im Spielerdorf lebte, immer deutlicher und bewußter empfunden. Er gehörte da einem offiziell nicht existierenden, aber sehr scharf abgegrenzten Kreis oder Stande an, der engsten Auswahl von Kandidaten und Repetenten des Glasperlenspiels, einem Krei
se, aus dem man zwar wohl den einen und andern zu Hilfsdiensten beim Magister, beim Archivar oder bei den Spielkursen herbeizog, von welchen aber keiner in die niedere oder mittlere Beamten- und Lehrerschaft befohlen wurde; sie waren die Reserve für die Besetzung der leitenden Stellen. Hier kannte man

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