Das Glück mit dir (German Edition)
angeschnallt?, fragt er Louise.
Ich konnte den Gurt nicht finden, sagt sie. Ich bin auf dem Boden gelandet, fügt sie hinzu, rutscht wieder auf den Sitz und reibt sich das Knie.
Wie alt ist dieses Auto?, fragt sie. Wird es nicht mal Zeit für ein neues?
Philip fährt langsam weiter, und eine Weile lang sagt keiner etwas.
Oh, und Dad, deine Windjacke, murmelt Louise. Kannst du keine anständige Jacke tragen? Das Ding da ist echt peinlich.
Lulu, Liebling, das hier ist nun mal meine Lieblingsjacke. Wenn deine Mutter jemals auf die Idee kommt, sie wegzuwerfen, verlasse ich sie.
Dann sagt keiner mehr ein Wort.
Zuhause angekommen, geht Nina sofort nach oben, ohne Louise oder Philip gute Nacht zu sagen.
Sie zieht sich aus und geht ins Bett. Viel zu aufgeregt, um einschlafen zu können, wartet sie auf Philip.
Hat Louise beim Essen zu viel getrunken?
Wo kommt bloß der ganze Zorn her?
Bis spät in der Nacht, bis sie, endlich, trotz alledem einschläft, kann Nina von unten Lachen hören. Was, fragt sie sich, machen die beiden da?
Werfen sie Münzen?
Was immer es ist, Philip und Louise haben sie vergessen und Philip hat auch Louises harsche Worte vergessen.
Im Traum dieser Nacht verschmelzen für Nina die Rehe, die die Straße überquert haben, mit Iris.
Bald wird es hell sein.
Je nach Betrachtungsweise kann man Licht als Welle oder als Teilchen auffassen – so viel weiß sie immerhin.
Am nächsten Morgen beim Frühstück entschuldigt sich Louise.
Wenn du mir verzeihen kannst, Mom, sagt sie, dannwürde ich schrecklich gern eins von deinen Bildern in meiner Wohnung aufhängen. Es bekommt einen Ehrenplatz im Wohnzimmer.
Ja, natürlich, antwortet Nina und setzt ihre Kaffeetasse ab. Ich fühle mich geehrt – du musst es allerdings bezahlen.
Auf dem Porträt, das ihn in roten Boxershorts darstellt, hält Philip eine Zigarette in der Hand.
Eine Gauloise Bleue.
Nina öffnet den Mund und atmet laut aus, als würde sie Zigarettenrauch ausstoßen.
Sie schließt die Augen und lässt langsam die Hände an ihrem Körper hinabgleiten – ein Körper, den sie unter dem roten Seidenmantel und Philips alter Nylonwindjacke kaum spüren kann und der sich nicht anfühlt wie ihrer.
Wie lange her ihr alles erscheint.
Und wie unwirklich.
Sie kann sich ein Leben ohne Philip nicht vorstellen.
Sie will es auch nicht.
Philip ist jung, attraktiv, und gleich werden sie sich kennen lernen.
Vous permettez?, fragt er und zeigt auf den leeren Stuhl an ihrem Tisch.
Je vous en prie , sagt sie achselzuckend, ohne aufzublicken.
Worum geht es denn in Ihrem Buch?, fragt er nach einer Weile.
Sie zuckt wieder die Achseln.
Schwierig zu erklären, sagt sie, ohne ihn anzuschauen. Es geht darum, die Ausdrucksformen des inneren Ich, die Schwingungen und Regungen von Gefühlen an der Schwelle des Bewusstseins, einzufangen und in Sprache umzusetzen. Anders ausgedrückt, das Buch ist ein Versuch, das in Worte zu fassen, was eigentlich nonverbale Kommunikation ist.
Klingt nach einer undankbaren Aufgabe, sagt Philip.
Da hat sie sich schon in ihn verliebt.
Ihre Liebe hat noch nicht die Schwelle ihres Bewusstseins erreicht.
Eine Liebe, deren Schwingungen und Regungen sie noch nicht spürt; eine Liebe, die ihr erst geraume Zeit später bewusst wird.
Und in Worte fasst.
Bis es so weit ist, wird sie ihm widerstehen.
Und bislang hat sie ihn kaum angeschaut. Würde man sie fragen, sie wäre kaum in der Lage, ihn zu beschreiben: Groß? Dunkelhaarig? Eine angenehme Stimme.
Sie ist fast unhöflich.
Er hebt den Arm, um den Kellner auf sich aufmerksam zu machen.
Sind Sie Studentin?
Nein, antwortet sie.
Aber Sie sind Französin, stimmt’s?
Nein, sagt sie wieder.
Er lacht.
Ich bin auch kein Franzose.
Sie blickt auf.
Woher kommen Sie?, fragt er.
Von überall her. Zuletzt aus Massachusetts.
Ich auch, sagt er.
Was machen Sie in Paris?
Möchten Sie noch einen Kaffee?, fragt er.
Deux cafés crèmes , bestellt er beim Kellner, bevor sie antworten kann.
Draußen im Garten zwitschern die Vögel.
Sie nimmt nur einen kleinen Schluck von dem café crème , den er für sie bestellt hat.
Sie will sich ihm nicht verpflichtet fühlen.
Zu viel Koffein, sagt sie. Damit muss ich vorsichtig sein wegen meiner Migräne.
Sie leiden an Migräne?, sagt er, es klingt besorgt.
Schon hat sie zu viel von sich preisgegeben. Sie will nicht schon jetzt sein Mitgefühl erregen.
Das muss schrecklich sein, aber es gibt Hoffnung. Man forscht gerade an neuen
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