Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
PROLOG
DIE WAHRHEIT
ÜBER
DIE
SIMPSONS
Die Simpsons ist die wohl erfolgreichste TV-Serie aller Zeiten. Sie ist weltweit bekannt und nach wie vor äußerst populär, und so suchen Akademiker (die dazu neigen, alles überzuanalysieren) schon lange nach Subtexten in der Serie und stellen tiefgründige Fragen: Welche verborgene Bedeutung steckt hinter Homers Bemerkungen über Donuts und Duff-Bier? Sind die Kabbeleien von Bart und Lisa mehr als simple Streitereien unter Geschwistern? Benutzen die Autoren der Simpsons die Bewohner von Springfield, um kontroverse politische oder gesellschaftliche Themen zu beleuchten?
In Die Simpsons und die Philosophie vertritt ein Autorenteam die Ansicht, die Simpsons seien im Prinzip eine wöchentliche Philosophiestunde. Die Autoren zeigen eindeutige Verbindungen zwischen verschiedenen Episoden und den Theorien großer Denker der Geschichte auf, zu Aristoteles, Sartre und Kant. Die Kapitel im Buch heißen: Marges moralische Motivation, Die moralische Welt der Familie Simpson: Eine kantische Perspektive und Also sprach Bart – Über Nietzsche und die Tugenden des Bösen.
Im Buch The Psychology of the Simpsons hingegen findet sich die These, die berühmteste Familie Springfields könne uns dabei helfen, ein tieferes Verständnis der menschlichen Psyche zu erlangen. Das Buch enthält mehrere Aufsätze, in denen anhand von Beispielen aus der Serie verschiedene Themen wie Sucht, Lobotomien und Entwicklungspsychologie untersucht werden.
Philosophie und Psychologie sind in Mark I. Pinskys The Gospel according to The Simpsons kein Thema. Er betont stattdessen die spirituelle Bedeutung der Serie . Dies mag überraschen, da viele Charaktere in der Serie kirchlichen Lehren sehr kritisch gegenüberstehen. Fans wissen natürlich, dass Homer sich regelmäßig weigert, am Sonntag in die Kirche zu gehen. In der Folge »Ein gotteslästerliches Leben« erklärt er: »Was hat das für einen Sinn, jeden Sonntag in so ein albernes Gebäude zu gehen? Ist Gott nicht überall? … Und wenn wir nun die falsche Religion erwischt haben? Dann wird Gott von Woche zu Woche immer wütender.« Pinsky weist darauf hin, dass viele Abenteuer der Simpsons die Bedeutung zentraler christlicher Werte veranschaulichen. Viele Vikare und Pfarrer teilen diese Meinung, und so manche Predigt wurde bereits auf den Gewissenskonflikten der Simpsons aufgebaut.
Selbst der ehemalige US-Präsident George H.W. Bush glaubte, die eigentliche Botschaft der Simpsons gefunden zu haben. Für ihn war die Serie eine Bühne für alle negativen gesellschaftlichen Werte. Er erwähnte sie sogar in seiner Rede vor dem Nationalkonvent der Republikaner 1992, einem zentralen Bestandteil seines Wahlkampfes: »Wir werden alles tun, um die amerikanische Familie weiter zu stärken. Wir sorgen dafür, dass amerikanische Familien mehr wie die Waltons werden und weniger wie die Simpsons . «
Die Antwort der Autoren der Simpsons folgte wenige Tage später. Als nächste Folge wurde eine Wiederholung von »Die Geburtstagsüberraschung« (1991) gesendet. Bei dieser Ausstrahlung gab es jedoch eine zusätzliche Szene in der Eröffnungssequenz, in der die Familie die Rede von Präsident Bush über die Simpsons und die Waltons im Fernsehen verfolgt. Homer ist sprachlos, Bart aber hat eine Antwort für den Präsidenten: »Hey, wir sind genauso wie die Waltons. Wir beten auch für ein Ende der Wirtschaftskrise.«
Doch all diesen Philosophen, Psychologen, Theologen und Politikern ist der primäre Subtext der weltberühmten TV-Serie entgangen. Denn die wahre Liebe der Simpsons -Autoren gilt der Mathematik! Sie füttern das Unterbewusstsein der Zuschauer heimlich mit kleinen Mathematik-Häppchen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten hat man uns animierte Einführungen in verschiedenste mathematische Themen untergeschoben, von Algebra bis Geometrie, von der Kreiszahl π bis zur Spieltheorie und von Infinitesimalen bis zur Unendlichkeit.
In »Homer 3 «, dem dritten und letzten Teil der Episode »DiePanik-Amok-Horror-Show« (1995), wird die mathematische Dimension der Simpsons besonders deutlich. In einer Szene wird der elegantesten Gleichung der Geschichte Tribut gezollt. Außerdem gibt es in der Szene einen Witz, den man nur versteht, wenn man Fermats letzten Satz kennt, sowie einen Verweis auf ein Eine-Million-Dollar-Problem der Mathematik. All dies wird von einer Geschichte eingerahmt, in der es um die Komplexität höherdimensionaler Geometrie geht.
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