Das Glück wartet in Virgin River
Mann kennenlernen wollen. Er kommt auch aus der Gegend von Flagstaff.“
In seinen Mundwinkeln deutete sich ein Lächeln an. „Es wird guttun, mal einen Nachbarn zu treffen, selbst wenn’s nur ein schwächerer Nachbar ist.“ Die Hopis und Navajos hatten lange Zeit nebeneinander gelebt und sich abwechselnd gut verstanden oder gestritten. „Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen. Wir sehen uns Sonntag.“ Das war der Tag, an dem sie ihn regelmäßig in seinem Haus besuchte, um mit ihm zu essen. Er pflegte die Traditionen, was bedeutete, dass Lilly kochte. Abgesehen davon sorgte sie auch dafür, dass das Haus ihres Großvaters immer sauber und seine Wäsche gewaschen war.
So viel zu ihrer nicht traditionellen Lebensweise …
„Bis Sonntag“, bestätigte sie und verließ sein Büro.
Das Gespräch mit ihrem Großvater hatte ihr zwar gutgetan, aber sie fühlte sich noch immer bedrückt. Wahrscheinlich hatte Lilly aus mehr als einem Grund ein Problem mit dieser Pferdegeschichte. Als Kleinkind hatte ihre Mutter sie verlassen und ihre Erziehung in die Hände der Großeltern gelegt, die im Reservat von Arizona lebten. Dann war ihre Großmutter gestorben, als Lilly neun war. Obwohl gramerfüllt, hatte Yaz die Aussicht, sieallein und ohne Hilfe einer Frau zu erziehen, keineswegs erschreckt. Tatsächlich zeigte er sich der Situation gewachsen und schien Gefallen an seinen erzieherischen Pflichten zu finden. Doch mit dreizehn hatte schließlich der Junge, den sie geliebt hatte, mit ihr Schluss gemacht und sie einfach mit Problemen, die sie überfordert hatten, im Stich gelassen. Verlassen zu werden war ein Thema für sie, das war ihr wohl bewusst.
Im selben Jahr noch war Yaz mit ihr nach Kalifornien gegangen. Über den Freund eines Freundes hatte er erfahren, dass diese Futterhandlung zum Verkauf stand. Sein ganzes Leben im Reservat hatte er auf eine solche Gelegenheit gespart. Das war nun vierzehn Jahre her. Erst mit fünfundzwanzig war Lilly aus dem Haus ihres Großvaters ausgezogen, und das war ein schwerer Schritt gewesen. Ihm wäre es eindeutig am liebsten, sie würde ewig bei ihm wohnen, oder wenigstens doch so lange, bis sie verheiratet war.
Auf dem Weg zu dem kleinen Haus, das Lilly am Stadtrand von Fortuna gemietet hatte, wurde ihr klar, dass sie zu der Wiese zurückmusste. Sie musste einfach wissen, ob die Stute dort allein geblieben war, ob sie Schmerzen hatte und krank war, oder ob sie gar… Sie weigerte sich, das Wort tot auch nur zu denken. Sie brauchte Gewissheit. Und falls Nathaniel und Clay sie dort sich selbst überlassen hatten, würde eben Lilly so lange bei ihr bleiben, bis sie sich entweder erholt hatte oder… Wieder wehrte sich ihr Geist, eine gewisse Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Aber wenn sie sich kurz erlaubte, in Gedanken so weit zu gehen, wusste sie auch, dass sie dann zur Stelle wäre, um der Stute den Kopf zu streicheln und sie mit liebevollen Worten zu verabschieden.
Zu Hause machte sie sich rasch ein Sandwich, das sie mit Portobello-Pilzen, Käse, Paprika und Tomate belegte und einpackte. Es war jetzt zwei Stunden her, seit sie das Pferd gefunden hatte. Sie schnappte sich noch je eine Tüte Soja-Nüsse und Mandeln, eine Flasche Apfelsaft und eine mit Wasser. Dann suchte sie inder Garage neben dem Haus nach ihrem alten Schlafsack, der leicht muffig roch, als sie ihn schließlich fand. Wenn das Pferd nicht ernsthaft an Verdauungsbeschwerden leiden würde, hätte sie ihm ein paar Möhren und Äpfel mitgenommen, aber fürs Erste durfte die Stute nichts fressen.
Kurz vor sieben war sie schließlich wieder auf der Straße, und gegen halb acht erreichte sie die Stelle, wo sie auf die Stute gestoßen war. Es war August, und die Sonne begann gerade erst im Westen unterzugehen, wobei es hier jedoch wegen der hohen Bäume etwas früher dunkel wurde als an der Pazifikküste. Sie erschrak, als sie sah, dass Truck und Trailer nicht nur noch dort standen, sondern inzwischen durch Warndreiecke gesichert waren, um alle Fahrzeuge, die nach Einbruch der Dunkelheit noch vorbeikommen mochten, zu warnen.
Lilly parkte vor dem Pick-up und stieg aus. Ihren Proviant ließ sie im Wagen zurück. Trotz der Dämmerung konnte sie erkennen, dass Clay das Pferd in einem großen Kreis über die Wiese führte, und aus Kindertagen wusste sie noch, dass dies zur Behandlung einer Kolik gehörte. Ein wenig Bewegung, nicht zu viel und nur in einem gemäßigten, sicheren Tempo. Dr. Jensen konnte sie nirgendwo
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