Das Glück wartet in Virgin River
selber besaß einen kleinen roten Jeep, den sie hinter dem Geschäft geparkt hatte. Den größten Teil ihrer Arbeitszeit brachte sie damit zu, Rechnungen zu bearbeiten, Nachschub zu bestellen und die Buchhaltung zu machen. Doch an zwei Nachmittagen in der Woche fuhr sie mit einem Firmentruck herum, den einer der Männer, die für Yaz arbeiteten, jedes Mal neu belud, wenn sie nach einer Lieferung zurückkam. Sie belieferte mehrere kleinere Ställe und Pferdehalter. Die größeren Fahrten zu den großen Ranches und Farmen erledigte Yaz mithilfe von zwei Angestellten selbst, wozu er den Tieflader benutzte. Yaz war neunundsechzig, aber noch immer stark wie ein Ochse. Einige Farmer und Rancher bauten ihr eigenes Futter an; andere holten ihr Futter selbst ab und sparten so etwas Geld.
Lilly ging mit dem Schlüssel des Pick-ups und dem Klemmbrett zum Schreibtisch ihres Großvaters im hinteren Teil des Geschäfts. „Alles erledigt, Grandpa“, verkündete sie und reichte ihm die Papiere und die Schlüssel. „Brauchst du mich heute noch?“
„Danke, Lilly. Gab es irgendwelche Probleme, von denen ich wissen sollte?“
„Mit der Lieferung war alles in Ordnung. Dr. Jensen nimmt ab morgen ein weiteres Pferd in Pension, deshalb werde ich die Ration beim nächsten Mal entsprechend erhöhen.“
„Braucht er eine Extratour?“
„Von einer Extralieferung hat er nichts gesagt, nur dass es beim nächsten Mal entsprechend mehr sein soll. Ich habe die Futterkammer gesehen, und der Vorrat reicht. Er hat jetzt einen neuen Mann, der für ihn arbeitet.“ Ihr Großvater sah nicht einmal von den abgezeichneten Lieferzetteln hoch, die sie ihm gegeben hatte. „Virginia konnte es gar nicht abwarten und istin dem Moment in Ruhestand gegangen, sowie der Neue unterwegs war.“ Mit seinen Papieren beschäftigt, nickte Yaz nur. „Er hat sich einen Assistenten zugelegt. Ein großer Kerl. Ein Navajo.“
Nun blickte Yaz auf und schaute seiner Enkelin in die Augen. Sein Lächeln war nur angedeutet. „Tatsächlich? Warum ist er hierhergekommen?“
Fast wäre Lilly rot geworden; sie hatte keine Ahnung, weil sie Clay überhaupt keine persönlichen Fragen gestellt hatte. Er hatte sie dies und das gefragt, leicht flirtend und einfach, weil er freundlich sein wollte, wie sie annahm, aber von ihm wusste sie nur, dass er ein Navajo war und zwei Ballen Heu auf einmal tragen konnte. „Ich habe mich nicht wirklich mit ihm unterhalten. Nur so Hallo gesagt, weiter nichts.“
„Kann er gut mit Pferden umgehen?“
„Ja, er … Grandpa, auf dem Rückweg habe ich an der Straße ein krankes Pferd entdeckt. Wahrscheinlich eine Kolik. Ich habe Nathaniel angerufen, und er ist mit Clay rausgekommen. So heißt dieser Mann, Clay. Sie sind sofort da gewesen, doch wir haben nur herausgefunden, dass die Leute, denen die Wiese gehört, auf der die Stute steht, und das Haus und der Stall dazu, dass sie einfach auf und davon sind und ihre Tiere verhungern lassen. Nathaniel hat gemeint, dass so etwas jetzt immer öfter passiert, wegen der schlechten Wirtschaftslage und der Arbeitslosigkeit.“
„Den Menschen, die vorher schon ein hartes Leben hatten, geht es jetzt noch schlechter“, bestätigte Yaz.
„Er hat gesagt, dass sie manchmal vor der Wahl stehen, entweder ihre Kinder zu füttern oder ihre Tiere. Aber es gibt doch Organisationen, die in solchen Fällen helfen! Wieso haben sie sich nicht dort gemeldet?“
Yaz sah zu ihr hoch. Seine dunklen Augen glänzten feucht, die Haut darunter und in den Augenwinkeln war faltig wie Krepppapier. „Selbst die Rettungsorganisationen sind an ihre Grenzen gestoßen. Zudem spielen auch Stolz und Scham eine Rolle.“ Er lehnte sich in seinem alten Schreibtischstuhl zurück. „Wenn einMensch vor seinen Schulden davonläuft, sagt er normalerweise nicht Auf Wiedersehen.“
„Man sollte doch meinen, dass wer auch immer das gewesen ist, seinen Stolz so weit hätte herunterschlucken können, um darüber zu informieren, dass die Tiere zurückbleiben“, erwiderte sie.
„Das sollte man meinen“, stimmte er ihr zu. „Wird das Pferd durchkommen?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Obwohl er dafür nicht bezahlt wird, hat Nathaniel die Stute mit einem Schmerzmittel und Öl behandelt, als ich gefahren bin.“
Yaz beugte sich wieder über sein Klemmbrett und blätterte die Lieferzettel durch. „Na, wenigstens hat sie den besten Arzt, und das für umsonst.“
„Ja, wirklich“, bestätigte Lilly leise. „Du wirst den neuen
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