Das Glück wartet in Virgin River
er und legte auf.
Lilly wollte zu dem Pferd zurück, konnte sich allerdings nicht verkneifen, schnell noch mal den Stall und das Gelände abzusuchen, um sich zu vergewissern, dass es keine weiteren Opfer gab … Pferde, Ziegen, Kühe oder Hühner. Die kleine Koppel war verwahrlost und voller Pferdemist, der Stall ein einziges schmutziges Chaos. Überall verstreut lagen Mist und Abfall herum. An Ausrüstung für das Pferd konnte sie dort nichts entdecken, kein Zaumzeug, kein Sattel, keine Fellbürste. Dahinterfand sie einen Hühnerstall, dessen Tür offen stand. Ein paar zerbrochene Eierschalen und sehr viele Federn lagen herum. Hatten sie die Hühner etwa als Futter für Berglöwen, Kojoten und wilde Hunde zurückgelassen?
Lilly hatte genug gesehen. Sie sprang in den Truck und eilte wieder zurück zum Pferd. Die Stute hatte sich wieder aufgerappelt, streckte sich und zog die Oberlippe hoch. Sie hatte Koliken, so viel war klar. Erfolglos versuchte sie ein paarmal gegen ihre Körpermitte zu treten, dann sackte sie auch schon wieder zu Boden und wälzte sich herum, bis sie schlapp und schwitzend liegen blieb. Lilly sprang über den Zaun und kniete sich neben ihren Kopf, streichelte ihre Nüstern und versicherte ihr, dass alles gut würde, auch wenn sie sich dessen nicht wirklich sicher war.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bevor sie einen Truck mit Pferdeanhänger kommen sah. Als er näher kam, stellte Lilly fest, dass Nathaniel seinen neuen Assistenten mitgebracht hatte. Während die beiden ausstiegen, kämpfte das Pferd sich wieder auf die Beine und wiederholte die gleichen Bewegungsabläufe wir vorher.
„Was ist hier los, Lilly?“, fragte Nathaniel. Er stützte sich mit beiden Händen auf einen Zaunpfahl und sprang über den Stacheldraht, während Clay hinter den Transporter trat, ihn öffnete und die Rampe herunterließ.
„Ihrem Verhalten nach scheint sie eine Kolik zu haben, Doc. Und das anscheinend schon eine ganze Weile.“
„Hast du oben bei den Jeromes jemanden gefunden?“
„Nein. Wie es scheint, haben sie sich aus dem Staub gemacht. Hinter dem Stall habe ich noch einen Hühnerstall entdeckt, an dem die Türen aufstanden. Überall lagen zerbrochene Eier herum und Unmengen von Federn. Du glaubst doch nicht etwa …?“
„… dass sie das Pferd auf der Weide, die Tür zum Hühnerstall offen und die Hunde sich selbst überlassen haben, auf dass sie sich allein durchschlagen?“ Nathaniel zog dem Pferd die Lippen zurück, damit er sich die Schleimhaut ansehen konnte.Dann horchte er mit einem Stethoskop seine Flanke ab, um festzustellen, ob abnormale Darmgeräusche zu hören waren, und schließlich tastete er den verkrampften Bauch ab, eine Aktion, bei der die Stute ein wenig zu tänzeln begann. „Seit der Depression hat es so etwas in dem Umfang nicht mehr gegeben, sagt mein Dad. Bei der hohen Arbeitslosenquote und der schlechten Finanzlage sind die Leute manchmal vor eine schwere Wahl gestellt. Es kommt vor, dass sie entscheiden müssen, ob sie ihre Kinder füttern wollen oder ihre Tiere. Ein paar von ihnen geben ihr Eigentum, ihre Hypotheken und ihre Tiere auf und suchen einfach irgendwo eine Zuflucht.“
„Ihre Möbel haben sie mitgenommen“, erklärte Lilly. „Das Haus ist leer. Ebenso der Getreidebehälter und der Futtertrog. Hältst du es für möglich, dass sie alles, was an Futter noch übrig war, reingeworfen haben und die Stute sich überfressen hat?“
„Möglich ist alles. Vor ein paar Wochen haben irgendwelche Leute weiter unten am Fluss einen toten siebenjährigen Wallach neben der Straße gefunden. Er war verhungert. Ich kannte das Pferd nicht. Möglich, dass jemand, der es sich nicht leisten konnte, es zu halten, es in der Hoffnung auf eine abgegraste Wiese gestellt hat, dass es jemand retten würde.“
„Hätten sie ihn nicht verkaufen können?“
„Bei dieser Wirtschaftslage? Das dürfte schwer sein.“
Clay gesellte sich mit Halfter und Führstrick in der Hand zu ihnen. Nathaniel nahm sie ihm ab und sagte: „Kannst du mir vielleicht meine Tasche holen, Clay? Und zieh doch bitte schon mal zehn Kubikzentimeter Flunixin auf.“
„Alles klar.“
„Wie kannst du ihr helfen, Nate?“, fragte Lilly.
„Ich will ihre Temperatur messen und mich vergewissern, dass keine andere Krankheit vorliegt. Sie könnten sie auch vergiftet haben, um sie einzuschläfern, bevor sie sie verlassen haben, doch das würde mich überraschen. Die meisten Menschen, die in eine Situation
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