Das Gluecksarmband
vielen Dank. Ich fahre gleich hin.» Er wandte sich schon zum Gehen, da fiel ihm plötzlich etwas ein. «Ach so, Ich wollte Sie immer mal fragen, woher kennen Sie eigentlich meine Eltern? Gehörten die beiden früher zu Ihrer Gemeinde oder …?»
Father Mike lachte. «Nein, ich war Metzger in einem Supermarkt, der sich in der gleichen Straße befand wie das Deli Ihrer Großeltern. Deswegen habe ich das Gefühl, als hätte ich Cristina immer schon gekannt. Als ich aus Korea zurückkam, gab es keine Jobs, also habe ich hier angefangen.» Er zwinkerte Greg zu. «Ich habe allen erzählt, ich sei dazu ‹berufen› worden, aber das Witzige ist, nachdem ich hier losgelegt hatte, habe ich wirklich meine Berufung erhalten. Der härteste Job, den ich je gemacht habe.»
Greg kam zu dem Ergebnis, dass er Father Mike mochte. Er war ein gütiger Mann und hatte wahrscheinlich einen ganzen Sack voll interessanter Geschichten zu erzählen. Noch einmal schaute er sich in dem kleinen Raum um, sah die gespendeten Kleidungsstücke in dem Karton, den Kalender an der Wand, auf dem nahezu alle Kästchen mit Veranstaltungen oder Aufgaben ausgefüllt waren, den Beistelltisch voller Dosen und anderer haltbarer Lebensmittel – vermutlich, um sie an Bedürftige zu verteilen. Dann den Schreibtisch mit dem blinkenden Anrufbeantworter und den hohen Stapeln mit Papieren und Karten. «Meinen Sie, ich dürfte mal wiederkommen und Sie und Ihr Büro fotografieren?»
«Na klar.» Der Priester war weder überrascht noch erschrocken. «Jederzeit. Kommen Sie einfach rein, ich habe eigentlich immer Zeit. Es sei denn, ich bin gerade in einem Beratungsgespräch.»
«Danke, das werde ich tun.»
«Ich freue mich, dass ich Ihnen bei Ihrer Suche helfen konnte.» Mit einem Lächeln geleitete Father Mike Greg zur Tür. «Und seien Sie unbesorgt, wenn Molly das Armband Ihrer Mutter hat, ist es wirklich in allerbesten Händen.»
35
T asha Geller lümmelte sich hinter der Ladentheke herum. Sie zwirbelte ihre Haarsträhnen, ließ ihren Kaugummi knallen und telefonierte. Dieser Job hier im Geschäft von ihrer Tante war ja so was von locker.
«Und was hat Dana dann gesagt?», fragte Tasha ihre Freundin Gretchen, und wartete schweigend die Antwort ab. «Diese Zicke», sagte sie dann. «Ich hab gesehen, dass sie ihren Beziehungsstatus bei Facebook schon zu ‹in einer Beziehung› geändert hat. Aber weißt du, da muss ihr doch mal jemand verklickern, dass man noch längst keine Beziehung hat, bloß weil man auf ’ner Party ein bisschen rumgeknutscht hat.»
Sie lachte über Gretchens Erwiderung, dann drehte sie sich um und saß mit einem Sprung auf dem Tresen.
«Ja, ziemlich gut, ’n bisschen öde. Der Laden gehört meiner Tante. Eigentlich habe ich gar nichts zu tun, und sie zahlt mir zehn Dollar die Stunde. Nicht schlecht.» Pause. «Ja, keine Ahnung, eine Frau hat gekündigt oder so was. Kann mich nicht erinnern. Jedenfalls arbeitet sie nicht, und meine Tante brauchte Hilfe, also bin ich eingesprungen. Hab ja nichts anderes zu tun. Außerdem ist das hier, wie gesagt, wirklich ein ganz ruhiger Job. Allerdings stinkt es ein bisschen.»
Wieder eine Pause.
«Bloß ein Klamottenladen», fuhr Tasha fort. «Second-Hand-Sachen. Ist mir ein Rätsel, warum Leute das alte Zeugs von anderen kaufen wollen. Kapierst du das?» Sie lachte. «Genau. Als würde man was von der großen Schwester erben. Krass, ich weiß.»
Plötzlich wurde Tashas Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen. Die Glocke an der Ladentür signalisierte mit ihrem Gebimmel, dass jemand hereinkam. Tasha verdrehte die Augen und sprang vom Ladentisch herunter. Sie warf einen Blick auf den Kunden, der sich erwartungsvoll umsah. «Ach, ich muss Schluss machen, Gretchen. Ich ruf dich wieder an. Da ist gerade jemand reingekommen, den muss ich jetzt bedienen … Ja, okay, bis gleich.»
Tasha stellte das Telefon in die Station zurück und beäugte den Kunden.
«Hi. Kann ich, äh, Ihnen helfen?», fragte sie und ließ eine Kaugummiblase platzen.
Sie wünschte, der Kerl würde sich mal ein bisschen beeilen und überlegen, was er haben wollte oder brauchte und dann wieder abzischen, damit sie weiter mit Gretchen telefonieren konnte. Sie hatten so viel zu besprechen. «Suchen Sie, also – suchen Sie vielleicht was Bestimmtes?»
Eigentlich kannte Tasha sich im Laden noch gar nicht aus, aber ihre Tante hatte gesagt, sie brauche nicht viel mehr zu tun, als die Kasse zu bedienen und darauf zu
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