Das Gluecksarmband
Unterlage auf der Ladentheke. Carole achtete sehr streng darauf, ihr Geschäft sauber und frei von Ungeziefer und Nagetieren zu halten, was hier in der City keine leichte Aufgabe war. Wieder sah Molly auf die Uhr. Na toll, noch fünf Minuten zum Essen. Sie trank die Suppe wie Kaffee, statt sie zu genießen, und biss nur einmal von dem Brot ab, bevor sie das ganze Stück wegwarf.
Das Kommen und Gehen im Laden nahm im Laufe des Nachmittages noch zu, und als Molly endlich einen freien Moment hatte, war es schon fast fünf.
Mist. Sie hatte Kate versprochen, heute um fünf Uhr zu Hause zu sein, aber die letzte Kundin konnte sich nicht entscheiden, ob sie das Reitjackett von Dior nun kaufen sollte oder nicht.
Molly beobachtete, wie die junge Frau sich zum hundertsten Mal vor dem Spiegel drehte und sich dabei nervös auf die Lippe biss.
«Ich finde, es sieht toll aus», sagte Molly, rutschte von ihrem Hocker herunter und ging zu ihr hinüber.
«Das müssen Sie ja sagen.» Die Frau beäugte sie misstrauisch.
«Kann schon sein, aber ich möchte auch nicht, dass Sie wiederkommen und Ihr Geld zurückhaben wollen.»
«Ich glaube einfach, ich kann mir das nicht … ich weiß nicht, ob ich mir das leisten kann. Das ist … zu viel für mich.»
Molly wusste aus Erfahrung, dass «zu viel für mich» meistens «zu schön für mich» bedeutete.
«Nicht, wenn Sie das Jackett richtig anziehen», entgegnete sie freundlich. «Übrigens, wissen Sie, wer es getragen hat? Vielleicht nicht genau dieses Jackett, aber ein ganz ähnliches?»
Die junge Frau schüttelte den Kopf.
«Faye Dunaway. Sie hatte ein Haus auf dem Land, mit Pferden und allem Drum und Dran.» Molly strich das Jackett über den Schultern der jungen Frau glatt und zog die Ärmel herunter, damit es besser saß. «Dort hat sie Reitpartys gegeben, mit Gästen wie Al Pacino und Clint Eastwood.»
Die Augenbrauen der Kundin schossen in die Höhe. «Wirklich?»
«Ja», erzählte Molly weiter, «kurz bevor Al ihr das Herz gebrochen hat, aber das war nicht schlimm, sie hat sich getröstet mit … wie hieß er noch? Sie wissen schon.» Sie fuhr fort, das Jackett in Form zu zupfen, und konnte sehen, wie die Frau sich darin entspannte und zunehmend wohler fühlte. Schließlich betrachtete sie ihr Spiegelbild nicht mehr mit gerunzelter Stirn, sondern mit einem Lächeln. «Sie haben das gleiche Haar wie Faye Dunaway», stellte Molly fest. «Wenn Sie es offen tragen und zu dem Jackett eine enge Jeans und hohe Schuhe anziehen, können Sie damit auch auf die Piste gehen.»
Die Frau nickte nachdenklich. «Meinen Sie wirklich?»
«Hundertprozentig.»
Da lächelte die junge Kundin. «Okay, Sie haben mich überzeugt. Ich nehme es.»
Molly grinste. «Sie werden es nicht bereuen, das verspreche ich Ihnen.»
Sie hatte gerade begonnen, Kasse zu machen und die Bons zu kontrollieren, als Carole hereingestürmt kam. «Sorry, dass ich so lange weg war …» Sie stutzte und sah Molly an. «Hast du’s eilig?»
«Ein bisschen. Kate hat heute Abend ein Date, und ich hatte ihr versprochen, dass ich um fünf zu Hause bin.»
Kate war eine so gute Freundin und half Molly mit Danny, holte ihn von der Schule ab und machte ihm Käsemakkaroni warm. Dafür wollte Molly sich bei ihr bedanken, vor allem aber wollte sie Kate vor ihrem Date noch moralisch unterstützen. Kate hatte in letzter Zeit schreckliches Pech mit Männern gehabt – wobei Molly selbst, wenn sie es recht überlegte, auch nicht mehr Glück gehabt hatte. Aber sie war immerhin wählerisch, während Kate sich anscheinend mit jedem verabredete … mit einem Mann, den sie an einer Hot-Dog-Bude kennengelernt hatte, mit dem Bassisten aus einem Club und mit dem Kerl, der ihre Steuersachen machte und ihr eine Überprüfung vom Finanzamt beschert hatte.
«Na, dann mal schnell, es ist schon fast fünf nach», schalt Carole sie. «Ich kümmere mich um alles.»
«Bist du sicher? Ich lasse dich äußerst ungern hängen …»
«Red keinen Blödsinn. Normalerweise werde ich dich abends doch gar nicht los!», gab Carole scherzhaft zurück. «Im Ernst, geh nur.»
Molly überreichte ihr das Bargeld und die Bons und nahm ihre Sachen.
«Danke, Carole, dann also bis morgen.» Während Molly aus der Tür schlüpfte, drehte sie das Schild auf «Geschlossen», damit ihre Chefin nicht gestört wurde.
In Rekordzeit war sie zu Hause und stapfte die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Noch bevor sie den Schlüssel ins Schloss schieben konnte, öffnete
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