Das Gluecksarmband
Danny schon die Wohnungstür.
Molly gab ihm einen Kuss auf den Kopf und trat ein. «Hey, was ist los?»
Er deutete auf das Sofa, verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. «So ’ne Kacke», murmelte er, bevor er sich wieder in den gemütlichen Sessel plumpsen ließ und sich erneut seinem Nintendo DS widmete.
Mit einer neuen Frisur und todschick angezogen saß Kate auf der Couch, eine Tasse Tee und eine Schachtel Kleenex in Reichweite. Sie weinte. Molly ließ sich neben ihr nieder und reichte ihr ein weiteres Papiertuch.
«Tut mir leid», schniefte Kate. «Mit Danny ist alles gut. Er hat mir Tee gemacht.»
Toller Junge, dachte Molly stolz. Weil sein Vater nur sporadisch in seinem Leben auftauchte und weil Molly keinen Kontakt zu anderen Männern hatte, befürchtete sie manchmal, dass ihrem Sohn männliche Vorbilder fehlten. Aber anscheinend wusste er, was in einer Krise zu tun war.
«Was ist denn passiert?» Sie wandte sich wieder Kate zu.
«Eben hat Tim angerufen. Er hat gesagt, er schafft es nicht. Er muss zu Hause bleiben, bei … bei …» Kate fing wieder an zu schluchzen.
«Zu Hause bei wem – bei seinem Hund?», schlug Molly vor.
Kate schüttelte den Kopf.
«Bei seiner Mutter?»
Wieder schüttelte Kate den Kopf, und schließlich holte sie tief Luft. «Bei seiner Frau!», rief sie, bevor sie erneut in Tränen ausbrach. «Warum gerate ich immer an die Falschen?»
Danny drehte die Lautstärke an seinem NDS hoch.
«Danny, bitte – Kopfhörer!», ermahnte Molly ihn. «Vielleicht liegt es daran», sagte sie sanft zu Kate, «dass du es mit Hinz und Kunz probierst. Deswegen findest du nicht den Richtigen.»
Kate hörte auf zu weinen und richtete sich auf, um sich die Nase zu putzen. «Glaubst du?»
«Ja, das glaube ich. Ich meine, wo hast du diesen Tim denn aufgegabelt?»
Kate kicherte beschämt. «Im Bus.»
Molly nickte. «Im Bus. Such dir nächstes Mal wenigstens einen aus, der Taxi fährt.»
Kate musste lachen, und Molly war erleichtert.
«Hör mal, bleib doch noch ein bisschen hier. Lass uns Pizza bestellen oder so was.»
Bei diesem Stichwort sprang Danny auf. «Pizza? Jaa!»
Molly lächelte nachsichtig. Dieses Wort hatte ihr Sohn natürlich trotz der Kopfhörer verstanden.
Kate brachte ein schwaches Lächeln zustande. «Danke, das klingt wunderbar. Tut mir leid, dass ich schon wieder alles bei dir ablade.» Sie schniefte. «Ich wasche mich jetzt mal.» Damit stand sie auf und machte sich auf den Weg ins Badezimmer.
Molly ging zu Danny hinüber und nahm ihn in die Arme. «Das war total lieb von dir, dass du Kate Tee gemacht hast – eines Tages wirst du ein Mädchen sehr glücklich machen.»
«Fang nicht schon wieder von Mädchen an, Mom. Die sind doch so was von ätzend!» Danny löste sich aus ihrer Umarmung und ließ sich wieder in den Sessel fallen.
Molly warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass sie es besser wusste, und begab sich dann in die Küche, um nach der Pizzakarte zu suchen. Sie kramte in den Schubladen, wühlte sich durch halb abgebrannte Kerzen von Dannys letztem Geburtstag und alte Weinkorken. Warum sie die aufgehoben hatte, wusste sie nicht mehr. Vielleicht hatte der Wein ihr gut geschmeckt? Sie nahm einen Korken in die Hand und schnupperte daran. Inzwischen roch er nur noch nach ihrer Küchenschublade. Mit einem Seufzer warf sie ihn wieder zu den anderen. Vielleicht würde Danny ihn irgendwann für ein Schulprojekt brauchen. Dann fielen ihr ein paar Stücke bunter Bindfaden in die Hände und ein Schnuller von Danny. Molly schmolz das Herz, als sie ihn aus der Schublade nahm, aber sie schüttelte den Kopf. Warum sie zehn Jahre lang einen Schnuller aufbewahrt hatte, war ihr ein Rätsel. Doch ihr Vater war genauso gewesen, sentimental bis zum Abwinken. Wahrscheinlich waren es die irischen Gene – oder zumindest das Elternhaus.
Dagegen war das Lieblingsmotto ihrer Mutter immer gewesen: «Weg damit, wenn es nicht mehr gebraucht wird.»
Mollys Eltern hatten sich zum Beispiel über den Wert von ungewöhnlich geformten Schachteln gestritten, die nach Seamus’ Ansicht nur schwer zu finden waren, und über den Nutzen einer Gitarre ohne Saiten oder des Sammelsuriums von Tellern mit blauem chinesischem Muster, die einst Seamus’ Mutter in Dublin gehört hatten.
«Aber wo soll ich den ganzen Kram denn unterbringen?», hatte Eileen gefragt.
«Auf dem Dachboden», hatte Seamus geantwortet. «Man weiß ja nie, vielleicht braucht Molly die Teller eines Tages,
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