Das Gluecksarmband
stimmt’s, Molly?»
Und als Mädchen hatte Molly genickt. Sie hatte sich darauf gefreut, irgendwann mit ein paar zusammengewürfelten blaugemusterten Tellern aus Irland einen eigenen Hausstand zu gründen. Damals hatte sie nicht vorhergesehen, dass sie später weder Interesse an den Tellern haben noch Gitarre lernen würde, sondern stattdessen ihren eigenen Geschmack entwickeln und ihr eigenes Geld verdienen würde, von dem sie sich selbst Teller kaufte – und sie zerbrach.
Einige Jahre nach Seamus’ Tod hatte Eileen eines Tages aus heiterem Himmel angerufen. Sie gehe gerade die Sachen auf dem Dachboden durch, hatte sie gesagt. Ob sie irgendetwas davon für Molly aufbewahren solle? Molly war damals neunzehn gewesen und hatte nur ein Zimmer im College-Wohnheim gehabt. Nein, sie wolle nichts davon haben, hatte sie gedankenlos geantwortet.
Jetzt lehnte sie an der Frühstückstheke. Die Suche nach der Pizzakarte war auf einmal vergessen. In diesem Moment wünschte Molly sich nichts sehnlicher als diese nicht zusammenpassenden Teller mit dem blöden Weidenmuster.
Warum hatte sie ihre Mutter nicht gebeten, sie aufzubewahren? Warum hatte sie die Teller nicht mitgenommen? War das der Grund, weswegen sie diesen ganzen Krimskrams in den Schubladen aufbewahrte? Hatte sie Angst vor dem Vergessen?
Vor kurzem war Danny zehn geworden, und Molly erinnerte sich genau an seinen Gesichtsausdruck, als er das Geschenk aufriss, das sie für ihn besorgt hatte, einen Nintendo DS i. Für eine Wii war die Wohnung zu klein, und ihr Fernseher war winzig. Danny ein Wii-System zu schenken, wäre außerdem eine Einladung an die Mieter unter ihnen gewesen, sich noch mehr über den Lärm zu beschweren. In ihrer Zweizimmerwohnung war es ohnehin schon schwer genug, einen energiegeladenen Zehnjährigen zu bändigen, und durch die Holzfußböden hörte man jeden Schritt.
Nick, Dannys Vater, hatte es nicht einmal geschafft, zum Geburtstag seines Sohnes zu erscheinen, daher hatte Molly die Kerzen in Form einer Zehn einfach aufbewahren müssen, ebenso wie den bunten Bindfaden von der Kuchenschachtel und ein kleines Stückchen von dem Geschenkpapier mit den glänzenden Sternchen. Wer hätte sie denn sonst an dieses Ereignis erinnern sollen?
«Mom, hast du die Speisekarte gefunden?», rief Danny aus dem Wohnzimmer.
Molly schüttelte den Kopf und tauchte wieder in die Schubladen ab. Da, unter einem Bündel von Dannys selbstgebastelten Karten für sie, lag sie. «Ja, ich hab sie!»
Sie bestellte eine Familienpizza, und als diese kam, setzten sie sich zu dritt in die winzige Essecke in der Küche. Während sie aßen und über den Tag plauderten, überlegte Molly, ob es wohl immer so sein würde, dass Danny einen kleinen Kreis von Freunden und Freundinnen um sich haben würde, aber keine richtige Familie. Dieser Gedanke stimmte sie ein wenig traurig.
Nachdem Kate gegangen war, vollzogen Molly und Danny ihr übliches Abendritual. In ihren Schlafanzügen legten sie sich nebeneinander auf Mollys Bett im Wohnzimmer. Danny machte es sich mit einem Band Harry Potter gemütlich, während Molly versuchte, sich auf einen Roman von Margaret Atwood zu konzentrieren. Carole hatte gesagt, sie müsse ihn unbedingt lesen, doch stattdessen überflog sie bloß zerstreut die Seiten.
«Mom?» Danny regte sich neben ihr und schaute von seinem Buch auf.
«Hmm?» Molly fuhr ihrem Sohn durchs Haar.
«Ich möchte meinen Namen ändern.»
«Wie bitte?» Molly legte ihr Buch weg und hielt den Atem an. Damit hatte sie nicht gerechnet.
«Ich möchte meinen Nachnamen ändern, ich will nicht mehr Mestas heißen, sondern O’Neill.»
Molly wurde eiskalt ums Herz, und eine Welle der Angst erfasste sie. Genau das hatte ihr immer Sorgen bereitet. Ihr eigener Vater war gestorben und Dannys Vater war meistens abwesend, daher hatte ihr Sohn nie ein männliches Vorbild gehabt. Jetzt zeigte sich das allmählich. Nick hatte sie zwar finanziell immer angemessen unterstützt, aber als Vater war er mehr oder weniger eine Null. Meistens schien er sich nicht einmal daran zu erinnern, dass er einen Sohn hatte.
«Mom?» Nervös schaute Danny sie an.
«Machst du mir eine Tasse Tee? Ich weiß jetzt ja, dass du das kannst. Und dann sprechen wir darüber.» Spielerisch schob sie ihn vom Bett, und er lief in die Küche. Vielleicht freute er sich, dass sie ihn wie einen Erwachsenen behandelte und dass er über sein Schicksal bestimmen konnte – jedenfalls über seinen Namen.
Molly faltete
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