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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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Enttäuschung in mir ausbreitete, formte sich ein einziger rationaler Gedanke:
    Was jetzt?
    Ein Geräusch hinter mir riss mich aus meiner Grübelei, und ich versuchte mich umzudrehen, um zu sehen, was es war. Doch mittlerweile fühlte sich jede Bewegung an, als stünde meine Brust in Flammen. Ich hörte, wie eine Tür gedämpft ins Schloss fiel, und dann hallte das Klicken von Absätzen auf dem Marmor durch den Saal.
    „Schwester.“ Bei der samtenen goldenen Wärme in Henrys Stimme ebbte der Schmerz in meiner Brust ab. Als ich in die Gesichter der anderen Ratsmitglieder sah, bemerkte ich, dass sie alle glücklich und erleichtert wirkten. Und selbstgefällig, wie ich mit einem Blick auf Ava feststellte. Sogar James schien glücklich, sie zu sehen.
    „Hallo, Henry.“
    Sämtliche Luft wich aus meinen Lungen, als ihre Stimme meinen Kopf erfüllte und sämtliche Gedanken fortjagte, bis da nur noch sie war. Der Schmerz war vergessen, und ich reckte den Hals, um sie zu sehen, wie sie alle außer Calliope mit einem Lä-cheln und einem Kuss auf die Wange begrüßte. An jedem Thron im Kreis machte sie Halt, und als sie bei Henry ankam, ließ sie sich in seine weit geöffneten Arme fallen.
    Irgendwo im letzten Winkel meines Gehirns wurde mir bewusst, dass mir der Mund offen stand, doch ich konnte nichts dagegen tun. Sie löste sich von Henry und ließ sich auf dem bisher leeren Thron neben ihm nieder, der aus Zweigen und Weinreben gemacht war, und etwas in meinem Kopf fügte sich zusammen.
    „Hallo, Kate“, begrüßte sie mich, und mehrmals öffnete und schloss ich den Mund, ohne dass etwas herausgekommen wäre. Schließlich zwang ich mich, zu schlucken, und als es mir gelang, zu sprechen, war es mehr ein Krächzen.
    „Hi, Mom.“

20. KAPITEL
    FRÜHLING
    Meine Mutter sah genauso aus wie in meinen Träumen. Gesund und munter, als wäre sie nicht einen Tag in ihrem Leben krank gewesen. Doch etwas Besonderes umgab sie, sie wirkte, als strahlte sie von innen heraus. Wie Licht, das sich seinen Weg nach draußen bahnen wollte.
    „Was machst du hier?“ Noch während ich meine Frage stellte, wusste ich, es war offensichtlich. Der einzige Grund, warum ich nicht vor Wut schäumte, war meine Freude, sie wiederzusehen. Doch selbst die wich sehr schnell einer tiefen Verwirrung.
    „Es tut mir leid“, begann sie und lächelte auf dieselbe mitfüh-lende Art, die ich schon tausendmal bei ihr gesehen hatte. Jedes Mal, wenn ich mir das Knie aufgeschürft hatte, jedes Mal, wenn ich Tonnen von Hausaufgaben mit heimgebracht und kaum Zeit fürs Abendessen gehabt hatte, jedes Mal, wenn uns ein Arzt er-öffnete, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hatte. Auf so viele Arten war sie eine Fremde für mich, doch dieses Lächeln machte sie eindeutig zu meiner Mutter.
    „Täuschung war der einzige Weg, dich angemessen zu prüfen. Ich wollte dir niemals wehtun, Liebes. Alles, was ich je getan habe, diente immer dazu, dich zu beschützen und dich so glück-lich zu machen, wie ich nur konnte.“
    Ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte, trotzdem konnte ich nicht anders, als einen tiefen Stich der Demütigung zu spüren, dass ich hereingelegt worden war. Auch wenn es zu meinem Besten gewesen war, fühlte ich mich nicht weniger wie eine Idiotin, dass ich nicht erkannt hatte, wer sie war.
    Meine eigene Mutter war eine Göttin. Das war nichts, das ich einfach mit einem Schulterzucken akzeptieren konnte.
    „Diana“, begrüßte Walter sie und erinnerte sie daran, warum sie hergekommen war. Lächelnd trat sie auf mich zu. Ihr weißes Seidengewand umschmeichelte sie, als bewegte sie sich unterWasser. Sie war mir nicht nah genug, als dass ich sie hätte berühren können, doch immerhin so nah, dass ich sah, wie ihre Augen glänzten. Ob es Tränen waren oder Stolz oder Macht wie bei Henry und seinen Augen aus Mondlicht, hätte ich nicht sagen können.
    „Die siebte Prüfung, Stolz und Demut“, erklärte meine Mutter, hielt kurz inne und lächelte, „hat Kate bestanden.“
    Ich verstand gar nichts. Das Urteil war gefällt, oder etwa nicht? Hatten sie ihre Entscheidung nicht längst getroffen? Ich durfte bei keiner der Prüfungen versagen. Walter selbst hatte es gesagt. Ich wartete auf irgendeine Erklärung, aber nichts kam.
    „Wer stimmt dafür?“, fragte Walter.
    Schnell ließ ich meinen Blick von Gesicht zu Gesicht wandern, doch nirgends fand ich einen Anhaltspunkt. Ava, Ella und nicht mal Henry gaben mir den kleinsten Hinweis, was geschah.

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