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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Mirkes Leib und ließen sie wie festgewachsen stehen bleiben.
    »Nicht der Pranger!«, widersprach sie hastig.
    Sie hatte nichts getan. Wie kam der Mann dazu, sie zu beschuldigen? Sie kannte ihn ja nicht einmal. Ein Wimmern stieg in ihr auf.
    »Ich habe Euch nicht bestohlen, Herr.« Ihre Lippen bebten.
    Der dürre Heringshändler, vor dessen Tisch sie standen, entblößte eine Reihe schwärzlicher Zahnstümpfe. »Soll ich meinen Jungen die Büttel holen lassen?«, erbot er sich, »damit sie die Beutelschneiderin mitnehmen, Herr?«
    »Das wird das Beste sein.« Der Mann nickte.
    Mirkes Zähne begannen aufeinanderzuschlagen.
    »Lasst sie los, Geerts!«
    Hinter dem Mann wurde die Gestalt des Henkers sichtbar. Die junge Frau sog scharf die Luft ein.
    »Emmerik Schimpf, misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen«, erwiderte der andere unwillig. »Tritt beiseite!«
    Ein grimmiger Ausdruck legte sich auf die Züge des Henkers. »Ich sagte, du sollst sie loslassen.«
    »Das Weib ist eine …«
    »… eine Bettlerin, ich weiß.«
    »Und eine Diebin obendrein! So was gehört an den Schandpfahl und ausgepeitscht. Oder bist du da etwa anderer Meinung, Schimpf?«
    Der Henker schüttelte den Kopf. »Nein.« Mirkes Kehle entrang sich ein Stöhnen, doch der Scharfrichter sprach weiter: »Wenn sie es denn gewesen ist. Könnt Ihr es beweisen? Sonst lasst die Frau ihrer Wege ziehen!«
    »Seit letztem Sonntag, als ich die Messe verließ, ist meine Geldkatze mit einem Silbergulden und zehn oder zwölf Groschen verschwunden. Wer soll es denn sonst gewesen als dieses Weib? Ich habe ihr zwei Witten gegeben.« Angewidert verzog er das Gesicht. »Sie hat mir die Hand geküsst. ›Ich bete für Euch, edler Herr‹, hat sie gesagt. Pah!«
    Jetzt erinnerte Mirke sich wieder. »Ich schwör’s bei allen Heiligen! Ich hab Euer Geld nicht genommen. Das müsst Ihr mir glauben, Herr!«
    Emmerik Schimpf räusperte sich vernehmlich. »Hört zu, Geerts, ich gebe Euch fünf Witten, und Ihr lasst die Sache auf sich beruhen. Ihr könnt den Diebstahl ohnehin nicht beweisen. Also nehmt das Geld und lasst sie in Frieden.« Er griff in einen Lederbeutel und entnahm ihm ein paar Münzen.
    »Also gut. Aber dass mir dieses Weib nie wieder unter die Augen kommt!«
    Geerts steckte das Geld ein, warf Mirke einen letzten verächtlichen Blick zu und drehte sich um. Die Menge zerstreute sich, und die junge Frau folgte ihrem Retter zu einem kleinen Haus an der Stadtmauer, das er allein bewohnte. Sie erinnerte sich an seine Worte: »Wir sind von gleichem Stand.« Als der Henker am Hafen diese spöttischen Worte ausgesprochen hatte, war sie wie erstarrt gewesen, bevor sie schließlich schweigend davongeeilt war. Doch hinter sich hatte sie noch sein heiseres Lachen gehört.
    »Wir sehen uns wieder, Mädchen. Überleg es dir gut, ob du nicht bei mir einziehen willst«, hatte er ihr nachgerufen.
    Niemals. Sie mochte tief gesunken sein, tiefer, als sie je geglaubt hätte, sinken zu können.
    Das hatte sie zumindest angenommen. Aber hatte er sie nicht vor diesem Geerts gerettet?
    Eine Woche später. Im fahlen Licht des Mondes, das durch das kleine Fenster ins Innere der Kammer fiel und ein schmales Viereck auf den steinernen Boden zeichnete, betrachtete Mirke den halb nackten, muskulösen Körper des schlafenden Mannes neben sich. So übel war der Kerl eigentlich gar nicht. Emmerik hatte sie nicht wie ein Tier genommen, wie viele andere vor ihm. Freundlich war er zu ihr gewesen, hatte mit ihr geredet, nachdem er sich, offenbar befriedigt, von ihr heruntergerollt hatte. Außerdem stank er nicht so widerlich und schien vor allem keine Läuse zu haben.
    Mirke drehte sich auf die Seite und zog die Decke höher. Vielleicht bleibe ich eine Weile bei ihm, überlegte sie, zumindest bis zum Frühling. Sie betrachtete seinen breiten Rücken. Besser als Alheyds schmuddelige Kammer war es allemal. Er gibt mir ein Dach über dem Kopf und eine ordentliche Mahlzeit. Warum also nicht? War dies nicht ein klares Geschäft? Essen und Bett gegen ihren willigen Leib? Wenigstens würde sie sich nun nicht mehr von jedem Kerl für ein paar Witten begrapschen und zwischen die Beine steigen lassen müssen.
    Cristin litt unter anhaltender Übelkeit, etwas, das sie noch von der ersten Schwangerschaft her kannte. In ihrem Magen rumorte es ähnlich wie damals auf der Schiffsreise von Polen zurück nach Lübeck, als sie so seekrank gewesen war, dass sie nichts hatte zu sich nehmen können. Mit

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