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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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sowie das beiliegende Schreiben sonst niemals angenommen hättest, betrachte dieses Geschenk als meinen letzten Wunsch, liebste Cristin.
    Ich bitte dich, diese Gabe gut zu verwahren und sie zu nutzen, solltest du sie eines Tages benötigen. Mögen unser Herr und die Heilige Jungfrau dich und die Deinen segnen und vor allem Bösen bewahren.
    Das zweite Schreiben, das du in dem Bündel findest, ist für einen meiner hochgeachteten Tuchhändler gedacht. Seine Stoffe sind das Feinste, das in meinem Reich zu erwerben ist. Nur ein auserlesener Kreis darf sich glücklich schätzen, Enricos Kostbarkeiten zu besitzen. Mit seiner und Gottes Hilfe wird es euch gelingen, mit deiner Goldspinnerei einen blühenden Handel aufzubauen. Ich habe Enrico schon vor geraumer Zeit mit der Nachricht betraut, sich deine wunderschönen Arbeiten anzusehen. So wirst du Venedig, die Stadt, die ich am meisten geliebt habe, nun auch besuchen, wenngleich ohne mich. Doch sollte dir das goldene Licht der Lagune begegnen, dann gedenke meiner.
    Bitte behaltet mich in guter Erinnerung. Ich habe gern gelebt und scheide ohne Gram.
    Eine in italienischer und eine in polnischer Sprache verfasste Abschrift dieser Nachricht liegt sicher verwahrt bei einem meiner Hofadvokaten.
    In ewiger Dankbarkeit
    Jadwiga, Königin von Polen und Litauen
    Cristin schlug die Hand vor den Mund. Wie durch einen Schleier hindurch las sie das Datum, an dem Jadwiga das Schreiben unterzeichnet hatte. Es war der 18. Juni 1399, nur vier Tage vor der Geburt des königlichen Kindes. Jadwiga hatte die Möglichkeit ihres Todes offenbar damals schon in Betracht gezogen und dennoch ihrer gedacht.
    Baldo legte den Arm um sie, während sie die zweite Pergamentrolle zur Hand nahm. Stockend begann sie zu lesen. Es war ein Empfehlungsschreiben des polnischen Königshofes für einen Tuchhändler namens Enrico de Gaspanioso aus Venedig, in der die besondere Kunstfertigkeit der Goldspinnerin Cristin Schimpf gewürdigt wurde. Darunter ein Wachsstempel mit Jadwigas Initialen – und ihre eigenhändige Unterschrift. Zitternd ließ Cristin den Bogen sinken. Venedig!
    Baldos Kehle entrang sich ein heiseres Röcheln. Sie sahen einander an, völlig gefangen in dem Augenblick. Nur allmählich drang die Bedeutsamkeit von Jadwigas Vermächtnis zu Cristin durch. Die Königin hatte ihnen nicht nur ein kleines Vermögen hinterlassen, sondern ihnen auch Tür und Tor für die Zukunft der Goldspinnerei geöffnet. Was das bedeuten mochte, wagte sie sich kaum auszumalen.

28
    W ährend der folgenden Tage fiel es Cristin schwer, sich auf die Spinn- und Stickarbeiten zu konzentrieren. In ihr war ein stetiges Kribbeln, als ob Tausende von Ameisen unter ihrer Haut wohnen würden. In den Nächten schreckte sie immer wieder hoch und vermochte danach nicht mehr einzuschlafen, zu viele Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf. Am Morgen hielt die Übelkeit sie nach wie vor in den Klauen, wenn auch nicht mehr so heftig. Zu den Mahlzeiten stocherte sie auf ihrem Teller herum und aß nur so viel, wie sie musste, um nicht auch noch Baldos Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Minna war schon misstrauisch genug und beobachtete sie fortwährend mit strenger Miene.
    Nun saß Cristin vor ihrem ganzen Stolz, einem Spinnrad, das sie von Mechthilds Geld erstanden hatten, das neueste Modell derzeit, und versuchte Elisabeths Singsang sowie ihr Gepolter beim Hüpfen auf dem Boden zu überhören. Nur mit Mühe konnte Cristin einen Seufzer unterdrücken. Hatte sie Minna nicht schon hundertfach gebeten, die Kleine bei sich zu behalten, damit sie in Ruhe arbeiten konnte? Wenn das Garn nicht geriet, wie es sollte, würde sie es nicht verarbeiten können. Dann war es nur eine Frage der Zeit, bis sie die Goldspinnerei schließen musste.
    Den Kopf über das Spinnrad gebeugt, nahm sie die Wolle auf und fuhr mit dem Spinnen fort. Die Kleine hatte einige der farbigen Garnrollen vom Werktisch genommen und warf sie mit einem strahlenden Lachen durch den Raum. Begeistert klatschte sie in die Hände, während die roten und bräunlichen Fäden sich wie Spinnengewebe um das Spinnrad, den Tisch und die zwei Hocker wanden und ungleichmäßige Muster auf dem Lehmboden bildeten. Cristin starrte auf die glitzernden Fäden. Hitze wallte in ihr auf.
    »Elisabeth, lass das Garn los und geh sofort zu Minna!«
    Das Kind hielt in der Bewegung inne. Seine Augen weiteten sich und wurden feucht, wobei es eine handgefertigte Puppe an sich drückte. Minna trat ein und warf

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