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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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ihrer Herrin einen bedeutungsschweren Blick zu.
    »Komm, Elisabeth. Ich brauch noch ein paar Kräuter aus dem Garten. Magst du mir helfen?«
    Elisabeth nickte, ließ jedoch ihre Mutter nicht aus den Augen. Eine dicke Träne rollte ihr über die Pausbacken, während sie Minnas Hand ergriff.
    »Es tut … tut mir leid, Schätzchen«, stieß Cristin hervor. »Ich spiele mit dir, sobald ich fertig bin, ja?«
    Sie sah den beiden nach, als sie die Werkstatt verließen. Mit der Hand fuhr sie sich übers Gesicht. Nun war es schon so weit gekommen, dass sie Elisabeth anherrschte. Dabei, gestand sie sich ein, war sie selbst der Grund für ihre wachsende Unruhe. Baldo würde es natürlich auf die Schwangerschaft schieben, doch Cristin wusste es besser. Wenn sie schlief, träumte sie meistens von kostbaren Tuchen und Venedig, der fernen, mächtigen Stadt. Wenn sie jedoch erwachte und Elisabeth im Schlaf betrachtete, ließen die Gewissensbisse sie nicht in Ruhe.
    Cristins Hals wurde eng. Bleibt mir denn eine andere Wahl, als sie allein zu lassen? Ich tue es doch auch für sie, überlegte die junge Frau. Selbst wenn sie an diesem Punkt ihrer Überlegungen angelangt war, wollten die Stimmen in ihrem Inneren nicht verstummen. Sie erinnerte sich an Zeiten, in denen sie lange getrennt gewesen waren, dachte an die vielen tückischen Krankheiten, die kleine Kinder befallen konnten und sie binnen kurzer Zeit dahinrafften. Aber wenn sie jetzt nicht nach Venedig fuhren, würden sie Jahre warten müssen. Noch stand sie am Anfang der Schwangerschaft. Eine spätere derartig weite Reise mit einem Kleinkind und einem Säugling schien ihr undenkbar. Natürlich konnte sie sich auf Minna verlassen, sie würde Elisabeth wie ihren größten Schatz hüten. Dennoch, die Lohnarbeiterin hatte mit der Spinnerei ohnehin schon alle Hände voll zu tun, und Cristin sorgte sich, ob das quirlige Kind nicht eine zu große Belastung für sie darstellte. Sie erhob sich von ihrem Schemel und streckte die verspannten Glieder. Es muss sein, beschloss sie. Jadwiga hat meine Spinnerei nicht bei dem venezianischen Tuchhändler empfohlen, damit ich diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen ließe. Missmutig begann sie die Fäden nach und nach wieder aufzuwickeln, löschte die Talglichter, um sich in die Küche zu begeben, wo sie gewiss schon erwartet wurde.
    Krakow, Anfang Oktober
    »Sag mir, dass das nicht wahr ist, Piet!«
    Er hob die Schultern. »Ich wünschte, ich könnte es, mein Liebes.«
    Hilflos erwartete er das Unvermeidliche, wusste nicht, wo er seine Finger lassen sollte. Er schielte zu seiner Frau hinüber. Marianka lehnte, die Hände zu Fäusten geballt, an dem kleinen Küchenspind, in dem ihre Mutter Becher, Krüge und Teller aufbewahrte. Er sah, wie sie zitterte.
    »Seit wann weißt du es?«, fragte sie ihn mit einer Stimme, die ihn eher an das Krächzen eines Vogels erinnerte als an den melodiösen Singsang, mit dem sie sonst zu sprechen pflegte. Ihr Gesicht hatte den Farbton der Wand hinter ihr angenommen.
    »Seit dem Tag, als dieser Bote vom Wawel an unsere Tür geklopft hat.«
    Marianka machte einen Schritt auf ihn zu. »Aber, das ist eine Woche her! Warum hast du solange geschwiegen?«
    Piet griff nach dem Becher mit Bier, doch es schmeckte plötzlich schal. Er stand auf und trat ans Fenster. Auf der Gasse duckten sich zwei Sperlinge in den Staub, der das ausgetretene Pflaster bedeckte. Mit gespreizten Flügeln bewegten sich die kleinen Vögel hin und her, um sich anschließend zu schütteln und dabei feine Staubwölkchen aufzuwirbeln. Dann erhoben sie sich in die Luft und entzogen sich seinem Blickfeld.
    »Ich höre, Piet Kerklich.«
    Er drehte sich um und sah ihr in die funkelnden Augen. »Glaubst du wirklich, es fällt mir leicht, meiner Frau eine derartige Nachricht zu überbringen? Ihr zu sagen, dass sie von nun an das Weib eines im ganzen Land umherziehenden Gauklers sein und ihn wahrscheinlich nur alle paar Monate mal zu Gesicht bekommen wird?« Er zog eine Grimasse. »Ich habe es einfach nicht über die Lippen gebracht. Glaub mir, ich habe es versucht. Nenn mich ruhig einen Feigling, zetere mit mir wie ein Marktweib, aber steh nicht da mit diesem Ausdruck in den Augen.«
    Sie wandte ihm den Rücken zu und hantierte mit den Bechern und Gefäßen im Spind. »Was soll nun werden? Mit unserem Leben, mit dem Haus, in dem wir mit unseren Kindern eines Tages leben wollten?«
    »Bitte verzeih. Ich … ich habe mir nichts Böses dabei gedacht, als ich

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